Ars Moriendi

Wie ein Detail aus Hieronymus Boschs berühmten Tritychon „Der Garten der Lüste“ sieht jenes seifenblasenartige Raumschiff aus, mit dem im 26. Jahrhundert ein Mann in Richtung des Sternennebels Xibalba unterwegs ist. Er hofft dort, seine verlorene Liebe, die Frau, die fünfhundert Jahre zuvor an einem Gehirntumor gestorben ist, just bevor er das Heilmittel für ihre Krankheit entdeckt hat, wiederzuerlagen. Besagtes Heilmittel stammt aus einem in Lateinamerika wachsenden Baum und besiegt nicht nur den Krebs, sondern darüber hinaus den Tod selbst. Darren Aronofskys dritter Spielfilm „The Fountain“ erzählt die Geschichte des Mannes, der dieses Heilmittel zu spät entdeckt. Tom Creo (Hugh Jackman) ist sein Name, und Tom ist Biochemiker, dessen einziger Wunsch nach der Heilung seiner totkranken Frau Izzi (Rachel Weisz) strebt. Während diese sich bereits mit ihrem Schicksal abgefunden hat, kann Tom nicht loslassen. Er widmet jede freie Sekunde der Suche nach Heilung und verliert dabei das wichtigste aus den Augen: den Wunsch seiner sterbenden Frau nach Zweisamkeit.

„The Fountain“ erzählt seine Geschichte, die vielleicht eine der rudimentärsten Erzählungen der Menschheit überhaupt ist, auf drei komplex miteinander verwobenen Zeitebenen. Izzi schreibt während ihres Sterbens an einem Roman über den Conquistador Tomas (Hugh Jackman), der im Auftrag seiner spanischen Königin Isabel (Rachel Weisz) im Maya-Reich nach dem sagenhaften Baum des Lebens suchen soll. Die Inquisition bedroht isabel und nur dieses Wunder kann sie vor dem Sturz und dem Ketzer-Tod retten. Bevor Izzi, die für ihren Text die Mythen der Maya wie die Geschichte Spaniens und des Kolonialismus studiert hat, ihr Buch beenden kann, stirbt sie – nicht jedoch ohne Tom den Auftrag „Beende es!“ gegeben zu haben. Die Vieldeutigkeit dieser Aufforderung füllt den Film mit Sinnangeboten, die den Zuschauer vieles über das Wesen des Lebens, Sterbens und Todes reflektieren lassen. Tom missversteht die Aufforderung Izzis zunächst und gibt dem eigenen narzisstischen Wunsch nach ewigen Leben nach, indem er nach der Unsterblichkeit seiner Frau verlangt. Auf ihrem Grab pflanzt er den heilsamen Baum und glaubt an die Maya-Prophezeihung, nach der dieser bis ins Totenriech (repräsentiert durch den Stern Xibalba) wächst und dann den Schrecken des Todes beendet. So also reist Tom, selbst durch das entdeckte Heilmittel unsterblich geworden, mit dem Baum und Izzis Grab hinauf zu den Sternen. Sich selbst hält er am Leben, indem er jeden Tag etwas von der Rinde isst, dabei den Baum jedoch mehr und mehr schwächt. Izzis unfertiges Buch hat er bei sich und immer wieder begegnet sie ihm in Visionen und fordert ihn auf: „Beende es!“

„The Fountain“ ähnelt in vielem Stanley Kubricks „2001“: ein kompliziert erzählter Science-Fiction-Film, bei dem der Versuch jeder Nacherzählung des Plots, selbst notwendig Interpretation sein muss. Grund hierfür ist neben den drei Zeitebenen das komplexe Spiel mit Leitmotiven, die Verwebung verschiedenster religiöser Paradies- und Erlösungsvorstellungen sowie sie Selbstähnlichkeit der drei stets miteinander in Dialog befindlichen Erzählebenen. Izzis Buch scheint dabei den narrativen Kern zu bilden, aus dem sich die Symbole und Motive herleiten und der letztlich die Erzählungen des 21. Und 26. Jahrhunderts determiniert. Toms unbedingter Glaube an die Wahrheit der Fiktion ist es also, die sein Tun bestimmt und der letztlich auch einen Sinn von „The Fountain“ für den Betrachter bereithält: Eine ars moriendi, die lehrt, dass der Sinn des Lebens im Sein zum Tode und nicht in dessen Überwindung liegen könnte. Indem Aronofsky diese These mit einer Liebesgeschichte verknüpft, macht er sie für den Zuschauer hautnah erfahrbar, kann er wie Soderbergh mit „Solaris“ einen melodramatischen Science Ficiton inszenieren, dessen Genre ihm als Träger der humanistischen Idee dient. Und dieses Genre-Konzept nutzt „The Fountain“ bis zum Ende, wenn er die Suche seines Protagonisten in einem Crescendo an Farben und Formen auf die Leinwand zaubert und die Botschaft des Films damit transparent macht. Das ist dem Film von vielen Kritikern vorgeworfen worden. Die Frage ist aber, ob „The Fountain“ auf diese Eindeutigkeit hätte verzichten können ohne zum kühlen Gedankenexperiment zu verkommen.

Dieser Text ist zuerst erschienen in „Der Schnitt“, Ausgabe 45 (1/2007), S. 58.

The Fountain
(USA 2007)
Regie & Buch: Darren Aronofski; Musik: Clint Mansell; Kamera: Matthew Libatique; Schnitt: Jay Rabinowitz
Darsteller: Hugh Jackman, Rachel Weisz, Ellen Burstyn, Mark Margolis, Stephen McHattie, Fernando Hernandez u. a.
Verleih: Kinowelt
Länge: 93 Minuten

Die DVD von Kinowelt

Arthaus/Kinowelt veröffentlichen „The Fountain“ in einer Doppel-DVD-Box. Auf der ersten DVD befinden sich neben dem Hauptfilm Trailer, Interviews, TV-Spots und eine Sammlung mit Fotos und Makrofotografien als Bildschirmschoner (angezeigt als Endlosschleife – eine schöne Idee,). Die zweite DVD enthält ein etwa einstündiges Making Of sowie ein 45-minütiges „Behind the Story“ mit Interviews, Storyboard-Vergleichen und Informationen über die Spezialeffekte. Bild und Ton beider Discs lassen nichts zu wünschen übrig und präsentieren „The Fountain“ in einer angemessenen Qualität.

Über die Ausstattung im Einzelnen:

Bild: 1,85:1 (anamorph)
Sprachen/Ton: Deutsch (5.1 Dolby Digital, 6.1 DTS-ES), Englisch (5.1 Dolby Digital)
Untertitel: Deutsch
Extras: Making of (ca. 60 Min.), Behind the Story: Interview mit Hugh Jackman und Rachel Weisz, Storyboard-Film-Vergleich, Die Special Effects, Life in Space, Interview-Featurettes, Die Filmmusik, Bildschirmschoner, Fotogalerie, TV Spots, Trailer
Veröffentlichung: 17.08.2007
FSK: ab 12 Jahren
Preis: 23,99 Euro

Diese DVD bei Amazon kaufen.

Die Blu-ray-Disc von Kinowelt

Seit September 2009 liegt „The Fountain“ nun auch als deutsche Blu-ray-Disc vor. Gerade auf diesem Medium und zumal unter der wie immer tadellosen Bearbeitung von „Kinowelt“ kommen die grafischen Finessen besonders zur Geltung. Mit dem richtigen Equipment gerät Hugh Jackmans Reise zu Xibalba am Ende zu einem optischen Ausflug ins Unbekannte, wie man ihn seit „2001“ nur selten bewundern konnte. Die Ausstattung der Disc ähnelt der der DVD – markantester Unterschied ist der Ton, der jetzt unkomprimiert aber leider nur in DD 5.1 vorliegt. Das ist schade, denn gerade für diesen Film hätte sich eine 7.1-Kodierung gelohnt.

Die Ausstattung der Blu-ray-Disc im Einzelnen:

Bild: 1,85:1 (1080/24p Full HD)
Ton: Deutsch, Englisch (5.1 DTS-HD Master Audio)
Untertitel: Deutsch
Extras: Making of, Behind the Story: Interview mit Hugh Jackman und Rachel Weisz / Storyboard – Film – Vergleich / Special Effects / Life in Space, Interview – Featurettes u.a. mit Darren Aronofsky, Filmmusik, Kinotrailer, Bildschirmschoner, Fotogalerie, TV Spots, BD-Live, Wendecover
FSK: ab 12 Jahren
Preis: 17,95 Euro

Diese Blu-ray-Disc bei Amazon kaufen.

Eine Antwort auf „Ars Moriendi“

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.