Allen anders

Zu befürchten war ja eigentlich nie wirklich, dass Woody Allen nach Harry außer sich (1998) nun endgültig hinter die Kamera verschwunden ist, auch wenn Kenneth Brannagh in Celebrety (1999) einen durchaus passablen Nachfolgemimen abgegeben hatte. Aber Darstellar-Abstinenz hatte es bei dem mittlerweile 65-jährigen ja bereits öfter gegeben: von September (1987) bis Eine andere Frau (1988), sieht man von der Kurzgeschichte in New York Stories ab). Aber nun ist Allen wieder vor der Kamera und zeigt eine weitere Facette seiner Kunst.
Der Tellerwäscher Ray Winkler (Woody Allen) und seine Frau Maniküristin Frenchy (Tracey Ullman) haben die Nase voll von der Armut. Ray hat wegen schlecht geplanter Gaunereien bereits eine Gefängnisstrafe hinter sich und glaubt jedoch nun den ganz großen Coup landen zu können. Mit zwei Freunden, die - wie Ray auch selbst - nicht den allerhellsten Eindruck vermitteln, will er einen leer stehenden Laden in der Nachbarschaft einer Bank anmieten und im dortigen Keller einen Tunnel graben, der ihn an die Ersparnisse der Bank und dadurch in den wohlverdienten Lebensabend nach Florida gelangen lassen soll. Und während sich die drei beim Graben noch über die Himmelsrichtung, in die zu graben ist, streiten, verkauft Frenchy oben im Laden zur Tarnung selbst gebackene Kekse.
Doch dann kommt alles anders: Anstatt in der Bank landen die Tunnelgräber in einer Boutique und anstatt zu tarnen, wird Frenchys Keksverkauf zum New Yorker Erfolgsgeschäft Nummer eins. Blende: Ein Jahr später haben es Ray und Frenchy geschafft: Sie sind Mulitmillionäre und Amerikas absolute Keks-Barone. Doch von den Freuden des Reichtums findet sich keine Spur. Frenchy versucht verzweifelt in die besseren Kreise eingeführt zu werden, wozu Geld allein offensichtlich nicht ausreicht; Ray langweilt sich fürchterlich und will anstatt Trüffel lieber Pizza essen und mal wieder einen Coup planen. Das Ehepaar lebt sich also auf klassische Weise auseinander und gerät fast vollständig entzwei, als sich der Kunstfachmann David (Hugh Grant) an die reiche Mäzenin Frenchy anhängt, selbstverständlich nur, weil er "ihr bestes" will.
Auffällig vor allem ist die Rückbesinnung Woody Allens auf die Charaktere aus seiner filmischen Frühphase. So ähnelt die Figur des Ray in vielem dem Virgil Starkwell aus Woody der Unglücksrabe (1969): Auch Virgil ist ein durch und durch erfolgloser Kleinganove, der mental eher einfach bestückt und daher so ganz anders als die genervten, intellektuellen Zwangsnewyorker aus Allens Filmen vom Stadtneurotiker (1977) bis Celebrity (1998) ist. Mit dieser Rückbesinnung erreicht Allen nicht nur eine kritische Rückschau auf das eigene Werk, sondern vermag es ganz nebenher auch das Phänomen der Neureichen und der High Society gekonnt zu karikieren.
Sicherlich zerfällt Schmalspurganoven in zwei Teile, wie Stefan Lux im filmdienst moniert. Aber das ist wohl weniger Woody Allens Mangel, funktionierende Geschichten zu entwickeln zuzuschreiben, als vielmehr dem Phänomen des Umbruchs selbst: Wessen Leben würde durch einen unerwarteten mulitmillionen Dollar-Gewinn nicht in ein "vorher" und "nachher" zerfallen? Schmalspurganoven erreicht es vielmehr, den Reichtum der Protagonisten als Armut zu entlarven und bekommt gerade darin seine witzige Wende, wenn der mit Goldkettchen und sündhaft teuren Uhren behangene Ray versucht, auf einer Party der Gastgeberin ein Edelsteincollier aus dem Safe zu stehlen, das er eigentlich aus der Portokassen kaufen könnte - und dabei natürlich scheitert!

Schmalspurganoven
 (Small Time Crooks, USA 2000) 
 Regie & Buch: Woody Allen 
 Darsteller: Woody Allen, Tony Darrow, Hugh Grant, Elaine Stritch, Tracey Ullman uva. 
 Verleih: Concorde, Länge: 94 Min. 

[Stefan Höltgen]


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