K(l)eine Konkurrenz

"Witzig." Selbst aus nicht kindlicher Perspektive muss das Urteil über Rugrats so lauten. Tatsächlich erwartet den Zuschauer etwas, das sich vom Disney-Einerlei des bisherigen sog. "abendfüllenden Zeichentrickfilms" abhebt. Auch wer die Charaktere Tommy, Chuckie, Phil, Lil und Didi noch nicht aus der gleichnamigen Nickelodeon-Serie kennt, wird sich schnell in ihrer Welt zurechtfinden. Die Rugrats, das sind Babies und Kleinkinder, die mit Sinn für anarchischen Humor versuchen, die Welt der Erwachsenen zu verstehen und die sich dabei in zahllose Abenteuer verstricken. Erfrischend ist vor allem deren völlig ungewöhnliche Perspektive auf die Welt jener Eltern und Großeltern, mit denen sie es tagtäglich zu tun haben. Da wird das Toupet des Großvater Pickels kurzerhand als "das flauschige Tier, das auf unseren Köpfen lebt", definiert und ganz gewöhnliche Prozeduren des Alltags werden zu spannenden Abenteuern ausgemalt. Die Rugrats, das war wie gesagt auch eine von Nickelodeon produzierte Zeichentrickserie. Sie ist in Deutschland allerdings (fast) von der Bildfläche verschwunden. Nachdem Nickelodeon 1997 den Quotenkampf gegen den Kinderkanal von ARD & ZDF verloren hat, wurde der Sendebetrieb in Deutschland eingestellt. Gegen die tausendfache Wiederholung dänischer Kinderserien aus den siebziger Jahren, mit denen der Kinderkanal seither den Äther flutet, hatten die durchweg originellen Serien, wie "Rockos modernes Leben", "Die Ren und Stimpy Show", "Pete und Pete" und eben die "Rugrats" keine Chance, weil Nickelodeon im Gegensatz zum Kinderkanal gezwungen war, sich aus Werbung zu finanzieren. Tja, das ist die soziale Marktwirtschaft ... langweilig wird die nie. Immerhin werden einige der oben erwähnten Serien auf anderen Kanälen jetzt wiederholt. Was die Rugrats angeht, die haben nun das Kino erobert. Die Geschichte ist schnell erzählt: Tommy bekommt einen kleinen Bruder. "Dil" heißt der Kleine und was für die Pampers-Bande zunächst mit freudiger Erwartung verbunden ist, erweist sich schnell als Alptraum. Die Eltern kümmern sich nur noch um den Neuen und der ist auch noch selbstsüchtig, gemein und schmeißt mit Spielzeug um sich. Die Rugrats entschließen sich kurzerhand, das Baby wieder zurück zum "Händler" (das Krankenhaus) zu bringen. Dabei geraten sie allerdings vom Wege ab und verirren sich im Wald, in dem selbstverständlich auch ein Wolf, ein Zauberer und eine Bande entlaufener Zirkusaffen hausen, die den Kindern das Leben & den Rückweg schwer machen. Für einen Kinder-Zeichentrickfilm ist selbstverständlich, dass das Abenteuer gut ausgeht. Für einen Kinder-Zeichentrickfilm ist nicht selbstverständlich, mit wieviel Originalität die Zeichner das Abenteuer inszenieren und dass die Geschichte voller Zitate und Verdopplungen steckt, so dass auch die großen Zuschauer einen Gewinn beim Zusehen haben. Allein der erfrischende - oft auch schon etwas derbe - Humor und die sarkastische Sicht auf die Erwachsenenwelt heben Rugrats von anderen Zeichentrickproduktionen deutlich ab. Dass die Handlung über die der zwölfminütigen Serienfolgen nicht hinauslangt, ist damit verziehen. Vielleicht entdeckt ja der eine oder andere nach dem Kinofilm die Serie (die z. Zt. auf Pro7 läuft) wieder.

Rugrats - The Movie 
 (USA 1998) 
 Regie: Igor Kovalyov, Norton Virgien, 
 Buch: David N. Weiss, David Stern; 
 Schnitt: Kimberly Rettberg. 
 87 Min.; Verleih: UIP

[Stefan Höltgen]


© by frame 25, 1998 - 2001