Playboys

Tinto Brass versucht mit seinen Filmen seit 1963 an das große Geld heranzukommen. Das führt natürlich in der mittlerweile 40-jährigen Schaffenszeit des gebürtigen Mailänders zu der einen oder anderen Seichtheit und dem unverkennbaren Hang zum Genrefilm. Brass’ erste Filme waren im Action- und Italowesterngenre angesiedelt, doch bereits Ende der 60er Jahre verlegte er sein Interesse zusehends auf den durch die Flower-Power zur Blüte gelangenden Sexfilm. Erfolg war ihm – bis auf ganz wenige Ausnahmen (etwa der überlange Caligula von 1979 mit Malcolm MacDowell in der Hauptrolle) – mit seinem Konzept nicht beschieden. Und so versuchte Tinto Brass dann wenigsten so etwas wie eine eigene Handschrift im Bereich des Sexfilms zu entwickeln, deren wesentliche Züge schnell aufgezählt sind: nahezu pornografische Inszenierungen mit Kamerazooms auf die Intimbereiche selbst dann, wenn es in der Handlung dramatisch bis tragisch zugeht, flockige Soundtracks, die so etwas wie das „leichte italienische Leben“ vermitteln sollen und vor allem sein Hang – ja schon fast: seine Manie – Promiskuität moralisch zu rechtfertigen.
Playboys ist ein typisches Beispiel für Brass’ Filmografie: Die junge Italienerin Carla lebt für vier Wochen in London, wo sie zur Hotelkauffrau ausgebildet werden soll. Ihr Freund Matteo wird durch einen Freund darauf gebracht, dass es Carla mit der Treue wohl nicht so hält, wie es sich Matteo wünscht. Durch solche Andeutungen miss-trauisch geworden, entdeckt er bei einer Inspektion von Carlas Zimmer ein paar Liebesbriefe, die sie ein Jahr zuvor von einem Verehrer bekommen hat und reist kurzerhand nach London, um seine Freundin zur Rede zu stellen.
Carla lebt dort allerdings mit der lesbischen Maklerin Moira zusammen, mit der sie zwar allerhand sexuelle Ausschweifungen und Orgien absolviert, sich jedoch nicht davon abbringen lässt: Sie liebt Schwänze und ihren Freund Matteo. Als dieser in London ankommt und miterleben kann, was seine Freundin unter Liebe versteht, ist er auf eine harte Probe gestellt: Soll er sie aus Eifersucht verlassen oder ihrem (und seiner Kumpel) Vorschlag folgen und einfach die erotische Komponente im Betrogenwerden entdecken. Carla, Matteo und Tinto Brass finden schließlich einen Weg aus dieser schwerwiegenden moralischen Zwickmühle.
Auffällig abstoßend an Playboys ist vor allem der Umgang mit der Kamera. Nicht nur, dass sie willkürlich und ungelenk zur Bebilderung der ohnehin „schlichten“ Erzählung verwendet wird. Sie fokussiert zu jeder Zeit, ob es nun passt oder nicht, nackte Vorder-, Hinter- und Oberteile und versucht schlüssellochästhetisch jede Ahnung einer Ritze oder Spalte abzubilden. So wird die angeblich progressive Einstellung gegenüber sexuellen Zweierbeziehungen, die die Handlung zu verhökern sucht, ständig durch krude sexistische Übergriffe seitens des Bildes konterkariert.
Playboy wird wohl auf Video ein ähnliches Schicksal wie die Vorgängerfilme des Tinto Brass erfahren: Er ist nicht „hart“ genug, um einen Pornofan zum Ausleih zu bewegen und hat es demzufolge mit einer unendlich großen Konkurrenz des täglichen Nach-22-Uhr-RTL2-Programms zu tun.

Playboys
(I 2000)
 Regie, Buch & Schnitt: Tinto Brass
 Kamera: Massimo de Venanzo; Musik: Pino Donaggio;
 Darst.: Yuliya Mayarchuk, Jarno Berardi, 
 Francesca Nunzi u. a.
 Verleih: Splendid; Länge: 89 Min.

[Stefan Höltgen]


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