In den Fängen der Bilder

"Ich bin ein Sklave meines IKEA-Nestbautriebs geworden" stellt der Erzähler (Edward Norton) des Films in Bezug auf seine Wohnungseinrichtung nüchtern fest. Sein Leben verläuft in geordneten Bahnen. Der Job als Schadensgutachter eines Automobilkonzerns ödet ihn zwar an, doch er unternimmt nichts dagegen. Nur ein Problem beschäftigt ihn wirklich: Schlaflosigkeit. Der Erzähler, dessen Namen der Zuschauer nie erfährt, geht zu einer Selbsthilfegruppe der Hodenkrebskranken, die ihn erkennen lässt, wie nichtig sein eigenes Problem ist. Keiner weiß, dass er eigentlich gesund ist. Und bald wird er süchtig nach diesen Therapiegruppen der Todgeweihten, denn sie geben ihm die Möglichkeit, abends zu sterben und am nächsten Morgen wieder neu aufzuerstehen. Das klingt ein wenig pervers und provokativ und so ist Fight Club, der neue Film von David Fincher, auch angelegt. Viel mehr darf nicht über die Handlung gesagt werden, denn sonst verliert Fight Club seinen Reiz. Dem Film gelingt es, den Zuschauer von der ersten bis zur letzten Minute zu fesseln, ohne dass dieser eigentlich weiß, wohin die Reise geht. Zweimal nimmt der Film eine überraschende Wendung und der Zuschauer muss umdenken. Im Grunde ist der Film auch ein Angriff auf den Kinozuschauer- auf seine Sehgewohnheiten und seinen Konsumzwang. Letzterer wird durch den Erzähler in Fight Club thematisiert. Er spricht den Zuschauer direkt auf diese Problematik an, indem er in die Kamera schaut und ihm Vorwürfe macht. In einer anderen Szene spaziert der Erzähler durch den Film, als wäre der Raum dort nur eine Kulisse, und klärt den Zuschauer über den Lebensstil von Tyler Durden (Brad Pitt) auf. Dabei hat er die Funktion eines Reporters, der am Tatort (in diesem Fall Durdens Arbeitsplatz) steht und das Filmgeschehen für den Betrachter kommentiert. Fight Club möchte kein einfacher Unterhaltungsfilm sein. Er bemüht sich nicht, den Zuschauer in eine eigene Filmwelt zu entführen und ihn abschalten zu lassen, einen ruhigen Erzählfluss gibt es nicht. Schon im videoclipartig gestalteten Vorspann rast der Zuschauer durch die Schweißporen des Erzählers, dem gerade eine Pistole in den Mund gehalten wird. Danach beginnt die Rückblende, zunächst mit der Sitzung bei den Hodenkrebskranken. Der Erzähler entscheidet sich jedoch kurze Zeit später, noch ein bisschen früher in der Filmhandlung einzusetzen, wie bei einem Buch, welches man irgendwo in der Mitte aufschlägt und dann feststellt, ein paar Seiten zurückblättern zu müssen, um die Geschichte zu verstehen. Oft werden in Fight Club die Bilder einfach eingefroren, damit der Erzähler aus dem Off eine Erklärung abgeben kann oder um auf einen anderen Handlungsstrang einzugehen. Der ganze Film wird aus einer subjektiven Sichtweise erzählt und diese Erkenntnis muss dem Zuschauer beim Sehen klar werden. Oft ist es schwer zu unterscheiden, was wirklich passiert - aus der Sicht des Erzählers - oder was nur in dessen Vorstellung abläuft. Ein Beispiel: In einer Szene sitzt der Erzähler im Flugzeug und wünscht sich einen Absturz herbei. Kurz danach kommt es zur erhofften Kollision mit einer anderen Maschine. Menschen verlieren ihr Leben. Und dann sitzt er wieder ruhig im Flugzeug. Erst jetzt wird dem Zuschauer endgültig bewusst, dass es sich hier um einen Tagtraum handelte. Der Film grenzt die Bilder nicht besonders ab, um sie als Phantasie zu kennzeichnen. Dem Kinozuschauer bleiben letztlich nur die laufenden Bilder auf der Leinwand, die er mit seinen Augen sieht und die Off-Stimme des Erzählers, die er mit seinen Ohren hört. Wie Bild und Ton zu deuten sind, muss er selbst entscheiden. Fight Club ist ein Glücksfall. Die Darsteller Brad Pitt und Edward Norton schaffen es, sich in das Gedächtnis der Zuschauer einzumeißeln, ohne sich gegenseitig die Schau zu stehlen. Zu konträr sind ihre Rollen angelegt. Und David Fincher, der in seinem Film das Konsumverhalten der Menschen anprangert, wird durch diesen selbst zum Markenartikel. Vier Filme drehte der Regisseur bisher (Alien 3, Sieben, The Game und Fight Club), jeder wurde ein künstlerischer Erfolg. Der Name Fincher steht eben für Qualität.

Fight Club 
 (USA 1999)
 Regie: David Fincher; 
 Kamera: Jeff Cronenweth; 
 Buch: Jim Uhlis 
 Darst.: Edward Norton, Brad Pitt, Meat Loaf, Helena B. Carter u. a. 
 Länge: 139 Min.; Verleih: Twentieth Century Fox 

[RH]


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