Blair Witch 2
Die Erwartungen konnten
wahrlich nicht höher gesteckt werden: Wie würde das Sequel zu einem der ungewöhnlichsten
und (gemessen am Quotient Produktionskosten/Einspielergebnisse) erfolgreichsten
Horrorfilm der Filmgeschichte aussehen. Müsste die Fortsetzung modernistisch
den Vorläufer mit allem überbieten? Also: noch gruseliger, noch erfolgreicher
und vor allem noch mehr in aller Munde? Wie lässt sich eine Geschichte fortsetzen,
die doch offensichtlich mit dem Tod aller Protagonisten an ihr jähes Ende gelangt
war?
Angesichts des Resultats Blair Witch 2 und der Kritiken darüber wird
schnell klar, dass die Steilvorlage des ersten Teils nicht gewinn bringend in
einen weiteren Treffer verwandelt werden konnte. Zwar hat Blair Witch 2
genau die Elemente, die auch den ersten Teil so gruselig und erfolgreich gemacht
haben - die Mystik, den Wald, die arglosen Teenager - jedoch ist alles ein wenig
abgeklärter und vor allem viel inszenierter.
Zunächst werden wir abermals mit Dokumentarfilmmaterial konfrontiert: Das Örtchen
Burkittsville ist zum Hauptreiseziel von Horrorfilmbuffs, Esoterikern und postmodernen
Hexenjägern geworden. Der Friedhof bevölkert von Grufties, an jeder Straßenecke
werden Natursteine verkauft (ähnlich jenen, aus denen die Kieshügelchen im ersten
Teil bestanden) und selbst gebastelte Zweigfiguren. Der Filmdiskurs "Blair
Witch Project" hat ganz offensichtlich sein eigenes Sequel kolonialisiert:
Wir sehen Interviews, in denen sich die Anwohner aus Burkittsville darüber beschweren,
dass der Film die sanfte Ruhe ihres Örtchens zerstört habe und erleben David
Letterman, der Heather aus dem ersten Teil persifliert.
Und mitten in die touristischen Einöde verschlägt es fünf Teenager, die auf
den Spuren des ersten Films - bewaffnet mit zahlreichen Videokameras ("nur Video
liefert wahre Bilder", hören wir einen von ihnen sagen) - wandern. Sie machen
sich einen Spaß aus dem Mythos der Hexe von Blair und begehen damit natürlich
den Grundfehler eines jeden Horrorfilmprotagonisten. Als sie nach einer offensichtlich
feuchtfröhlichen Nacht auf den kühlen Waldboden erwachen, sind alle Kameras
zerstört, Aufzeichnungen eines ehrgeizigen Blair-Witch-Forscherpärchens zerfetzt
und ganz in der Nähe der nächtlichen Feierstätte (auf dem berüchtigten "Coffin-Rock")
fünf japanische und deutsche Touristen tot & ausgeweidet. Unter einem feuchten
Stein finden sich dann allerdings doch noch ein paar der Videobänder, deren
Analyse die zweite Hälfte des Films beansprucht. Besagte fünft Freunde finden
sich hierzu in der ebenfalls mitten im Wald gelegenen High-Tech-Hochburg ein,
die - wer hätte es vermutet - kaum einer von ihnen lebendig verlassen wird.
An Blair Witch 2 fällt vor allem die Inszeniertheit auf. Recht bald distanziert
sich der Gestus des Films vom Dokumentarischen des Vorgängers, wenn er die eingangs
beschriebenen Dokumentarfilmszenen ganz schnell durch ganz altbackene Gruselfilmästhetik
austauscht: Softe, aber rasante Kamerafahrten, temporierende Schnitte, akzentuierender
Rockmusik-Soundtrack und atmosphärische Beleuchtung. Die Konzentration des Films
liegt also dieses Mal nicht auf dem Quasidokumentarischen. Dafür wird vielmehr
eine medientheoretische Fragestellung angeschnitten und zur eigentlichen Hexerei
des Film: Wie wahr ist Wahrnehmung gegenüber Video? Und als hätte es der gute
alte Baudrillard nicht bereits in den 70ern gewusst: Die Simulakra verschlingen
die Realität und realisieren die Virtualität. Davon versucht auf der Metaebene
auch der Film selbst zu künden (warum sonst heißen die Protagonisten genauso
wie die Schauspieler, von denen sie verkörpert werden?).
Blair Witch 2 verschenkt - ganz in Konzentration auf diese Fragestellung
- eine Menge Möglichkeiten, ein würdiger Nachfolger zu sein: Im entscheidenden
Moment geht immer irgend ein Licht an, das dramaturgisch besser ausgeblieben
wäre, ertönt immer ein rockiger Soundtack, der besser ungehört geblieben wäre.
Ein bisschen weniger Inszenierung und dafür ein wenig mehr Subtilität hätte
dem Film, den Thema, der Serie (Teil 3 folgt) und nicht zuletzt auch dem Zuschauer
gut getan.
Blair Witch 2 (Book of Shadows: Blair Witch 2, USA 2000) Regie: Joe Berlinger Kamera: Nancy Schreiber Buch: Dick Beebe, John Bokenkamp Darsteller: Tristen Skylar, Stephen Baker Turner, Jeff Donovan, Kim Director, Erica Leerhsen u.a. Länge: 95 Min.; Verleih: Highlight
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