Wie in der vergangenen
Ausgabe bereits angekündigt, bringt der Film e. V. in Zusammenarbeit mit
frame25 eine Auswahl erotischer Filme (wieder) ins Kino. Begonnen wird die Reihe
mit Adrian Lynes 1997er Remake von Kubricks provokativem Klassiker Lolita.
Lolita beschreibt die Verfallenheit des Englischprofessors Hubert Humbert (Jeremy
Irons) zu der 15jährigen Lolita (Dominique Swain). Anfänglich versucht
er, seine wahren Gefühle Lolitas Mutter (die er sogar heiratet, um in der
Nähe des Mädchens zu sein) und auch Lolita selbst gegenüber zu
verheimlichen. Lolita durchschaut dies jedoch recht bald und provoziert ihn
immer mehr.
Wie selbstverständlich kommen Humbert und Lolita zusammen und verstehen
es bravorös, einander zu verlocken, zu belügen, zu verletzen und zu
demütigen. Nach kurzer Zeit schon hat Lolita keine Lust mehr auf den ihr
vollends verfallenen Humbert und verlässt ihn. Seine Suche nach ihr führt
den Mann - wie schon bei Kubrick -in die Abgründe menschlicher Sexualität
und Gewalt.
Lynes Remake löste zwar nicht mehr den Skandal aus, der Kubricks Lolita
in den weit prüderen 50er Jahren verfolgte, wurde jedoch auf beiden Seiten
des Atlantiks gekürzt, um dem Verdacht der Pädophilie auszuweichen.
Lyne konzentriert sich in seiner Fassung vor allem auf die Verzweiflung des
Englischprofessors (der von Jeremy Irons geradezu idealtypisch verkörpert
wird). Fast scheint es, als wolle der Erzähler um beständiges Mitleid
mit dem armen Päderasten bitten. Dies kulminiert in Rückblenden, in
denen Humberts frühe Jugend gezeigt wird: Das Drama seiner sexuellen Neigung
begann, als er sich 15jährig in eine Gleichaltrige verliebt hatte, die
plötzlich starb, bevor sie ihm seine sexuelle Initiation erteilen konnte.
Die psychoanalytische Rechtfertigung von Humberts Verhalten sollte aber keineswegs
als eine Rechtfertigung seiner Obsession an sich angesehen werden, sondern eher
als Versuch, dem Publikum der 90er Jahre alles erklären zu
wollen. Denn wie 1962 lässt sich der heutige Kinozuschauer nicht mehr einfach
vor vollendete Tatsachen stellen.
Selbstverständlich ist Lynes Film auch in seinen Bildern freizügiger.
Die Zahl recht offenherziger Begegnungen zwischen Humbert und Lolita schien
Anlass zu sein, ihn selbst in der deutschen FSK 18-Fassung um 5
Minuten zu kürzen. Lynes Lolita wird nun wieder in der ungekürzten
Kino-Fassung präsentiert (137 Minuten) im Gegensatz zur jener gekürzten
Videofassung (132 Minunten)
Die Wiederaufführung von Lolita in der Reihe des Erotischen Films soll
zum Anlass dienen, den Diskurs »Erotik im Film« nicht nur als Präsentation
nackter Körper zu verorten, sondern auch Filme zu zeigen, deren Erzählung
subtil erotische Momente aufweisen. Weitere Filme der Reihe bilden z. B. Pasolinis
Erotische Geschichten aus 1001 Nacht, Nagisa Oshimas Im Reich der Sinne und
weitere Klassiker des »erotischen Films«.
[Stefan Höltgen]