Rezensionen

Silberlinge

Das Lexikon des internationalen Films, sicherlich das konkurrenzlose deutschsprachige Nachschlagewerk, herausgegeben von der katholischen Filmkommission und katholischen Institut für Medieninformation (KIM), liegt nun in der Ausgabe 2001 für Apple Macintosh und Windows-PC vor. In 48.222 Beiträgen finden sich die auf wichtige Filmdaten zusammengefassten und mit kurzen Kommen-taren versehenen Darstellungen über gute und schlechte Filme, die in gewohnter filmdienst-Manier besprochen werden. Erstmals in dieser Ausgabe wurde auf das „Special“ verzichtet – ein Forum, das in vergangenen Jahren z. B. über Science Fiction (Ausg. 1999/2000) oder Western (Ausg. 1998/9) mit längeren Essays und speziell hierfür zusammengestellten Filmografien informierte. Nicht verzichtet wurde allerdings auf die nervigen Ein- und Ausstiegssequenzen, die es kaum erlauben „mal kurz etwas nachzuschlagen“, sondern mit altbekannten Prologen und Werbeepilogen Zeit kosten. Positiv im Vergleich zu vergangenen Jahren ist hingegen, dass das Lexikon nun endlich nicht mehr ausschließlich im Vollbildmodus (Mac) arbeitet, sondern als Fenster verschiebbar ist – auch wenn der Close-Button an der linken oberen Ecke des Fensters „tot“ ist und sich das Fenster (und wie gesagt: auch das Programm) damit nicht schließen lässt.
Als weitere erwähnenswerte Veröffentlichung präsentierte der KIM bereits Ende vergangenen Jahres eine CD mit Volltext-Jahr-gängen des filmdienst – ebenfalls für Apple Macintosh und Windows-PC. Die elektronische Version des filmdienst, die vorerst die Jahrgänge 1994 bis 1998 auf sich vereint, bietet umfangreiche Suchmasken und Über-sichtsfunktionen und ist sicherlich, wenn in nicht ferner Zukunft alle Ausgaben elektronisch vorliegen, ein unverzichtbares Recherchehilfswerk. Die Ausgabe wurde bereits auf die Jahrgänge 1993 bis 1999 erweitert und lässt sich für 40 DM / Jahrgang abonnieren. Für den privaten Nutzer dürfte die vorliegende CD-ROM aufgrund des Preises von 250 DM jedoch weniger interessant sein.

Lexikon des internationalen Films
 CD-ROM, Ausgabe 2001
 Vertreib: UMS.DE, Systhema
 99,00 DM (MAC & WinPC)
KIM: film-dienst-kompakt
 Edition 1994 - 1998
 Katholisches Institut für Medieninformation 1999
 ISBN: 3-934311-01-6
 250,00 DM (MAC-Version)

[Stefan Höltgen]


Unsichtbares sichtbar

Keine Frage: Das immer wieder Fesselnde am Film ist seine Fähigkeit, uns Einblick in Welten, Zeiten und Leben zu gewähren, die jenseits unseres Alltags und nicht selten sogar unserer Alltagserfahrung liegen. Zeigt ein Film „mehr, als möglich ist”, wird dies durch eine Kunst erreicht, die sich selbst hinter den Dingen, die sie zeigt, verbirgt: die Spezialeffekte. Von den frühen Filmen mit Stopp-Tricks eines George Meliès bis hin zu den computergenerierten Welten aus Disneys Dinosaurier (1999) entwickelten sich special effects zum zweitteuersten und zweitwichtigsten Geschäft in der Filmbranche. Nur für die Filmstars selbst wird noch mehr Geld ausgegeben (... noch, denn bald sind die Computer auch so weit, Darsteller zu simulieren).
Doch so faszinierend die Kunst der Spezialeffekte auch ist, so selten erfährt man etwas über ihre Geheimnisse. In der Vergangenheit hat es nur wenige Publikationen auf dem deutschen Markt gegeben, die sich dem Thema verschrieben haben. Doch nun liegt von Rolf Giesen und Claudia Meglin der Sammelband künstliche welten vor, in dem über Spezialeffekte, Computeranimationen und Filme berichtet wird. Die zwölf Aufsätze zeichnen die Geschichte der Filmtricks nach und stellen darüber hinaus deren Macher vor. Das inhaltliche Zentrum des Bands bildet sicherlich der Aufsatz von Ray Harryhausen, dem ungekrönten König der Stopp-Motion, für die er für Filme wie Clash of the Titans (US 79) oder Jason and the Argonauts (US 61) 1992 mit einem Oscar für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde.
Mit künstliche welten präsentiert der Europa Verlag einen wichtigen Beitrag zu einer Technikgeschichte des Films, die gerade im Zeitalter der Hybridisierung des Films mit dem Medium Computer ihre Berechtigung und Notwendigkeit erfährt. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass sich sechs der Beiträge mit der digitalen Form der Bildbearbeitung auseinandersetzen. Der Band wird abgerundet durch zahlreiche schwarz-weiß- und Farbbilder, die die Künstler, deren Arbeit und Ergebnisse vorstellen, sowie eine umfassende 40-seitige Filmografie und eine zwar nicht ganz so vollständige doch äußerst informative Auflistung der Künstler, die bislang im Verborgenen geblieben sind und deren Arbeit erst dann besonders gut ist, wenn sie niemandem auffällt.

Rolf Giesen & Claudia Meglin
 Künstliche Welten. Tricks, Special Effects und Computeranimation im Film von den Anfängen bis heute.
 Hamburg: Europa-Verlag, 2000
 240 Seiten; 48,50 DM (Großformat)

[Stefan Höltgen]


Seifenkiste

Am 8. Dezember 1985, einem Sonntag, war es soweit: Um 18 Uhr 40 strahlte die ARD die erste Folge der Lindenstraße aus. Die Serie galt als Neuerung in der damaligen TV – Landschaft. Zum ersten Mal versuchte eine deutsche Serie, das Format der amerikanischen Seifenoper auf sich zu übertragen. Die Erwartungen des Publikums waren dementsprechend hoch und wurden enttäuscht. Die Serie behandelte gewöhnliche Alltagsthemen, die Darsteller waren unbekannt und ästhetisch erinnerte die Lindenstraße an ein Home-Video. Heute, sechzehn Jahre später, hat sich das Format der Daily und Weekly soap durchgesetzt, schnell wurde das Potenzial der sehr billig zu produzierenden Serien erkannt und das Publikum gewöhnte sich mit jeder ausgestrahlten Folge mehr an die Soaps. Jovan Evermanns Das Lexikon der deutschen Soaps gibt im ersten Teil des Buches einen allgemeinen Überblick über sämtliche seit 1985 entstandenen deutschen Soap Operas, beginnend mit Anmerkungen zur Entstehungsgeschichte der jeweiligen Serie und anschließenden Kurzinformationen über Produktionsfirma, Laufzeit, Produktionsort, Autoren, Darsteller usw. Erwähnt werden hier auch kurzlebige Serien wie Großstadtträume, der missglückte Versuch des Fernsehsenders RTL, ein Spin Off von Gute Zeiten, schlechte Zeiten zu etablieren. Der Faktenreichtum dieses Überblicks ist beeindruckend, problematisch wird es nur, wenn der Autor versucht, einzelne Fakten zu interpretieren. So begründet er den Quotenrückgang der Lindenstraße u. a. damit, dass „in letzter Zeit, weniger Geschichten um die lieb gewonnenen Hauptpersonen der ersten Stunde, wie die Beimers, Zenkers und Else Kling gesponnen wurden, sondern um zahlreiche unbeliebtere Nebenfiguren, die ausländischen und die homosexuellen Charaktere“.
Der zweite Teil des Lexikons ordnet Schauspieler und die von ihnen dargestellten Serienfiguren alphabetisch in ein einheitliches System ein, welches unnötig kompliziert ausgefallen ist. Sucht der Leser nach der Schauspielerin Marie-Luise Marjan, ist der Nachname entscheidend, möchte er etwas über ihre Serienfigur Helga Beimer erfahren, muss er unter dem Anfangsbuchstaben des Vornamens nachsehen.
Das Lexikon der deutschen Soaps ist nur für Serienfans geeignet, welche es aber als Nachschlagewerk gut gebrauchen können.

Jovan Evermann
 Das Lexikon der deutschen Soaps
 Berlin: Lexikon Imprint Verlag, 2000
 416 Seiten; 39,80 DM (Paperback)

[RH]


Ermittlungen am Tatort

Lange hat es gedauert, bis ein fundiertes und kenntnisreiches Buch über den ARD–Fernsehkrimi Tatort erschienen ist. Bisher mussten dem Tatort-Interessierten Holger Wackers Fan-Bücher ausreichen, die sich auf einen kurzen Abriss der 30jährigen Tatort-Geschichte beschränkten sowie Angaben über Produktionsdaten, Erstausstrahlungen und inhaltliche Kurzbeschreibungen aller Tatort-Folgen enthielten. Ermittlungen in Sachen Tatort ist keine Abhandlung, die einfach nur die Veränderungen der Tatort-Reihe im Wandel der Zeit beschreibt. Das Buch ist collageartig angelegt, mehrere Autoren beschäftigen sich mit verschiedenen Themen, die Einzelanalyse von Tote Taube in der Beethovenstraße steht neben einem Essay über „Kommissar Finke und die Ethnographie der Provinz“. Interviews mit Tatort–Beteiligten wie dem ehemaligen Fernsehspielchef der ARD, Gunther Witte, dem Drehbuchautoren Felix Huby, Schimanski-Erfinder Hajo Gies und Leitmayr-Darsteller Udo Wachtveitl geben dem Leser Auskünfte über die ursprüngliche Idee und Konzeption der Serie, anfängliche Startschwierigkeiten, die Erzählperspektive der Schimanski-Tatorte etc.
Die Bebilderung des Buches steht nicht für sich, sondern ist, wie beim Bertz-Verlag üblich, gekonnt mit dem Text verschachtelt und dient als Beweis für verschiedene Aussagen des Textes. Besonders geeignet ist dieses Verfahren bei der Beschreibung von Filmsequenzen, die dann in Form der einzelnen Einstellungen aufgelöst und präsentiert werden.
Einziger Nachteil von Ermittlungen in Sachen Tatort: Am Ende fehlt ein Gesamtüberblick aller Tatort-Folgen, der es dem Leser ermöglicht hätte, die im Buch abgehandelten Folgen in den Gesamtkontext der Serie einzuordnen.

Eike Wenzel (Hrsg.)
 Ermittlungen in Sachen Tatort
 Berlin: Bertz Verlag, 2000
 375 Seiten; 29,80 DM (Hardcover)

[RH]


Bunt! Das 20. Jahrhundert

Der Prestel Verlag hat sich Veröffentlichungen zur Architektur, Fotografie und Kunst verschrieben. Programmatisch reiht sich da der Überblick über 100 Jahre Filmgeschichte ein.
Die Zusammenschau selektierter filmischer Werke bietet eine alle Genres berücksichtigende Übersicht über das Jahrhundert, in dem sich der Film als Kunstform für ein Massenpublikum etablierte. Insgesamt 84 europäische und amerikanische Filme sind in dieser kommentierten Zeitreise versammelt, deren Auftakt der Stummfilmerfolg von Charles Chaplin, The Kid von 1920 bildet. Jedem Einzelwerk ist eine reich bebilderte Doppelseite gewidmet, eingebettet in eine Kurzanalyse aus der Feder und Perspektive eines der achtzehn beteiligten Film-Fachautoren.
Der Herausgeber, Peter W. Engelmeier, beschreibt in seinem einleitenden Beitrag die nicht zu unterschätzende Schwierigkeit, die die notwendige Auswahl aus der Menge der produzierten Filme gerade unter objektivierbaren Kriterien darstellen musste. Umso verwunderlicher, dass die getroffene Filmauswahl nach kontroverser Beurteilung durch unterschiedliche (dennoch: subjektive!) Kritiker abermals den Anspruch erhebt, eine Art objektive Revue zu verkörpern.
Das die Einleitung resümierende Postulat - "Vorhang auf also für die Highlights des ersten und einzigen Jahrhunderts des Films" verwundert umso mehr, als doch gerade eben das dritte Jahrhundert des Films eingeläutet wurde und sich diesen Worten darüber hinaus ein essayistischer Abriss vom nämlichen Autoren über die Anfänge des vielseitigen Mediums im 19. Jahrhundert anschließt.
Mit Psycho (1960) wird bedauernswerter- aber auch unverständlicherweise nur einem einzelnen Werk des Allroundgenies Alfred Hitchcock Aufmerksamkeit geschenkt, allein dieses eine Beispiel aus seinem 53 Werke umfassenden Opus dient der Beleuchtung des meisterhaft beherrschten Suspense, Surprise und Thrills.
Insgesamt kann man sich des Eindrucks nicht vollends erwehren, das eher ökonomisch, oscar-orientierte als artifiziell ansetzende Bewertungsmaßstäbe angelegt wurden, wenn auch (oder weil?) eigens auf "'kleine' Highlights" wie Broken Silence (CH 96, R.: Wolfgang Panzer) oder Der Garten der Finzi Contini (D/I 70, R.: Vittorio De Sica) aufmerksam gemacht wird.
Der Herausgeber scheint vordergründig auf den gehetzten, hypertext-gewöhnten Leser abzuzielen, kleinere Ungereimtheiten und Missgriffe fallen jedoch auch auf den flüchtigen Blick ins Auge, etwa in den Angaben zu den Einspielergebnissen der Titanic (US 97, R.: James Cameron) oder auch der in der Übersetzung unfreiwillig komische geratene Ausspruch von HAL 9000, dem Bordcomputer in 2001: A Space Odyssey (GB 68, R.: Stanley Kubrick): “Dave, ich habe Angst. Mein Gehirn entleert sich …”. Die den einzelnen Filmtiteln mitgelieferten Kurzviten der jeweiligen Regisseure beschränken sich in der Tat auf wenige Eckdaten.
Der Reiz dieser Film-Hommage an das 20. Jahrhundert liegt auf der Seite der Bilder, dem Herzstück eines jeden Films, denen der Betrachter auf seiner Reise durch die plötzlich zeitlos still stehenden Jahrzehnte neues Leben einhaucht. Kino-Impressionen werden wach und entführen uns, halten uns gefangen in der Magie wieder lebendig gewordener Filmwelten aus einhundert Jahren Filmgeschichte.
Scharfsinnige wie amüsante Beobachtungen stellt Michael Althen in seinem den Band beschließenden Essay "Wie das ›Ende‹ aus dem Film verschwand" an.

Peter W. Engelmeier( (Hrsg.)
 Film! Das 20. Jahrhundert
 München u. a.: Prestel Verlag, 2000
 192 Seiten; 49,80 DM (Großformat)

[mmh]


Frauen & Film

Im vergangenen Jahr sind mit KinoTherapie für Girls und Beim nächsten Film wird alles anders nun wieder zwei Filmführer auf den Markt gekommen, deren proklamierte Absicht darin liegt, die moderne Frau bei der Filmauswahl zu unterstützen.
Erstere Publikation beeindruckt vor allem durch die Zielsicherheit, mit der das Autorinnen-Duo Nancy Peske und Beverly West altgeliebte Klischees manifestiert, die Frauen in der patriarchalisch geordneten Videothek in die Abteilung Liebesfilm, Starke-Frauen-Filme und Hollywoodklassiker verweisen. KinoTherapie für Girls versammelt eine eher unspektakuläre Auswahl an Filmen in einer Ansammlung zweifelhafter bis beleidigender Kategorien, als da wären: PMS-Filme, Katastrophenfrisur-Filme, Die-innere-Stimme-entdecken-Filme, Filme über Mütter oder Filme für den Mädelsabend. Während Genres wie Thriller, Western, Gangsterfilme und Actionfilme nur sporadisch vertreten sind, wird man erwartungsgemäß mit einer großangelegten Gefühlswelle konfrontiert, die der kinogeplagten Frau neben dem ersehnten Happy End auch die gedankenlose Klischee-Abspulung der Autorinnen beschert: “Männer kennen dieses Problem natürlich gar nicht, weil sie nur zwei Stimmungen kennen: an und aus.” Peske und West setzen auf die lauten bis penetranten Tonlagen und vernachlässigen in ihrem ausgesprochen kategorisierungsfreudigen Buch bezeichnenderweise den Primärgrund jeden Filmkonsums, das Interesse am Film. Doch nicht genug mit der eindimensionalen Filmauswahl – europäische Produktionen, besonders französische und italienische Filme sind absolut unterrepräsentiert – setzt KinoTherapie für Girls noch eine Geschmacklosigkeit sondergleichen obenauf: “Die Tolle-Typen-Liste”. Da werden dann die Namen Gable, Rickman, Pitt, Brando, Redford, Gibson und Depp in Schubladen wie FUE - feurig, unergründlich und edel, TA - tränenfeuchte Augen, TES - tiefe erotische Stimme, SG - Schuljungengrinsen oder DVB - dieser verletzliche Blick eingeordnet. Dieses Buch bietet mit eher durchschnittlicher Auswahl, aufdringlichem Stil und humorlosen Filmzitaten nichts Neues und ist als Filmführer für die moderne Frau indiskutabel.
Der zweite Filmführer Beim nächsten Film wird alles anders trägt eine deutlich eloquentere Handschrift, mit vollständigen Produktionsangaben und weitgehend unpathetischen Filmbeschreibungen. Die Spannbreite der vorgeschlagenen Filme ist bezüglich Herkunftsland, Genre und Alter bedeutend weiter, dafür ist die Zahl der Filme kleiner. Neben den erwartbaren “chick-flicks” (Wild at Heart) und altbekannten Feministenklassikern (Thelma and Louise, Fried Green Tomatoes) bietet die Autorin, Doris Kuhn, dem Leser auch Tips für weniger aufdringliche Filme wie White Palace und Before Sunrise. Dennoch steht auch diesem “Movie-Guide für Frauen” der eigene Kommerzanspruch im Wege, so dass die wenigen überraschenden Filmvorschläge in der Masse der auf den Durchschnittsgeschmack der Allgemeinheit zugeschnittenden Beiträge untergeht.

Nancy Peske/Beverly West
 KinoTherapie für Girls.
 Der richtige Film für jede Lebenslage.
 München: Goldmann Verlag 2000
 377 Seiten; 20,00 DM (Taschenbuch)
Doris Kuhn
 Beim nächsten Film wird alles anders.
 Der Movie-Guide für Frauen.
 München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2000
 141 Seiten; 16,50 DM (Taschenbuch)

[CW]