Dreh dich nicht um!

 

Haben Sie sich schon einmal gefragt, was geschieht, wenn Sie sich aus einer gemütlichen Runde mit „Freunden“ erheben, um den Raum zu verlassen? Worüber reden diese Freunde wohl als erstes, nachdem Sie nicht mehr anwesend sind? Etwa über dasselbe, über dass Sie mit ihnen reden, wenn jemand anderes hinaus geht? Aber vielleicht fühlen Sie sich ja schon während dieses Zusammenseins so, als würden Sie belauscht: Warum ist es am Nachbartisch so still? Warum sieht sie die Bedienung so seltsam an, wenn Sie sagen, dass Sie nichts bestellen möchten? Was tut wohl der Kerl da an dem Einzeltisch, der seit Stunden an seinem Bier nippt? Zugegeben: Das klingt paranoid.
Da fühlt man sich doch schon fast erleichtert, wenn man genau weiß, dass man beobachtet wird: So wie die Jungs und Mädels im „Container“ oder so wie die Gefangenen in Foucaults panoptischen Gefängnissen. Steht man unter Beobachtung, dann kann man sich eine zweite Haut überstreifen und spielen, was man eigentlich nicht ist (auch die Sozialwissenschaftler nennen so etwas “eine Rolle spielen”). Und dann gibt es noch die dritte Situation: Man beobachtet selbst. Man schaut durch’s Schlüsselloch bei den WG-Mitbewohnern oder in die Fenster des Hauses auf der gegenüberliegenden Straßenseite ... oder man geht ins Kino.
Dort sind abermals verschiedene Szenarien vorstellbar: Unangenehm angenehm wird die Sache in dem Moment, wo wir zu Komplizen eines Erzählers werden, der uns im Film zu Mitwissern groß angelegter Verschwörungen macht. Angenehm unangenehm ist es hingegen – wie bei Hitchcocks Filmen – erzählerisch auf die Seite des Verfolgten verschlagen zu werden.
Paranoides Kino und paranoides Leben bedingen sich gegenseitig. Die Realität mit ihren politischen, wirtschaftlichen und privaten Verschwörungen liefert ausreichend Stoff für Filme und diese wiederum erzeugen Mythen (oder decken sie auf?), die einen tatsächlich ins Grübeln geraten lassen: Ist die Antwort vielleicht wirklich irgendwo dort draußen?
Auf den kommenden Seiten dokumentieren wir einige Aspekte des Verschwörungsfilms und des Films als Verschwörungsdiskurs. Wir orten die kulturellen Bedingungen und Hintergründe (Arno Metelings Artikel „Dass du nicht verfolgt wirst ...“), stellen das wichtigste Werkzeug für Verschwörer vor (Stefan Höltgens „verräterisches Hertz“), eröffnen neue Perspektiven auf alte Konspiranten (Miriam Höltgens „The Man who knew too much“) und entlarven das Kino als Erkenntnismanipulator (Matthias Werners „Es ist die Frage, die dich hergeführt hat“). Ja und dann gibt’s da noch einen Text, der uns auf diffusen Kanälen erreicht hat - und dessentwegen die Zeitschrift fast nicht erscheinen konnte, weil sich kein Redakteur mehr getraut hat, die M.O.U.S.E. seines Computers in die Hand zu nehmen. Er sei als Warnung verstanden ...
Begleitet wird auch diese Ausgabe der frame 25 wieder von einem Redaktionskino, das sich dem Heftthema verschworen hat: Allwöchentlich mittwochs ab 20 Uhr zeigen wir im Kulturbahnhof einen Film, der okkulte, der politische, der mediale und der außerirdische Verschwörung enttarnt. Halten Sie also die Augen offen!

[Red.]