Die meiste Zeit ist Plainfield/Wisconsin eine ruhige
Stadt, ein Einkaufszentrum für die umliegenden Farmgebiete. In der Jagdsaison
kommen Jäger, um in den nahen Wäldern auf die Pirsch zu gehen. Im
Frühjahr kommen Vogelliebhaber, um den Paarungstanz des Präriehuhns
zu beobachten, einer aussterbenden Spezies, deren Brutplätze nicht weit
entfernt sind. Bis vor kurzem galt die größte Aufregung dem Verschwinden
von Mary Hogan, die am Ort eine Schenke betrieb. Das war 1954, und seither hatte
die Aufregung längst wieder nachgelassen.
Aber an einem lähmenden Tag der vergangenen Woche entdeckte das friedliche
Plainfield, daß es einen abscheulichen Verbrecher beherbergt hatte und
daß sein Haus der Schauplatz von Mord und Schrecken war. Ed Gein, ein
51 Jahre alter Junggeselle, war für die meisten immer nur ein x-beliebiger
Bürger von Plainfield gewesen. Einige hielten ihn für faul, sogar
für ein bißchen zurückgeblieben. Er schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten
durch, manchmal war er auch Babysitter.
Dann verschwand Mrs. Bernice Worden, die das Haushaltswarengeschäft der
Stadt betrieb. Ihr Sohn fand Blutspuren im Laden. Der letzte Eintrag im Verkaufsbuch
betraf ein Frostschutzmittel, und er erinnerte sich, daß Ed Gein gesagt
hatte, er wolle vorbeikommen, um sich welches zu kaufen. Der Sheriff fuhr hinaus
zu Geins Farm, um sie unter die Lupe zu nehmen.
Der Sheriff fand Mrs. Wordens Körper im Anbau des Gein-Hauses. Er hing
mit den Füßen nach oben, ohne Kopf und ausgeweidet. Das war noch
nicht alles. Man fand zehn weitere Menschenköpfe - darunter auch den von
Mary Hogan -, einige sorgsam in Cellophan eingewickelt, und einen Stuhl, der
mit Menschenhaut bezogen war. (Quelle: LIFE vom 2.12.1957)
Das, was hier wie der Prolog zu einem Horrorfilm oder wie eine Urban Legend
klingt, ist Realität - und wurde bald darauf wirklich zur Legende und zum
Prolog zahlreicher Horrorfilme. Der Fall Gein holte das Grauen zurück
aus der Tiefe der Ozeane oder den Weiten des Weltalls in die Nachbarwohnung,
in die zwar eine Menge Leute hineingehen, aber nur wenige wieder herauskommen.
Das Grauen - so wusste man bald - findet in mitten der Normalität
statt und niemand ist sicher
das ist der Stoff aus dem Slasherfilme sind.
Drei Filme aus drei Jahrzehnten markieren die Erfolgsgeschichte des Slasherfilms.
Sie wurden dabei nicht nur als gute Horrorfilme angesehen, sondern - sonst ungewöhnlich
für das Subgenre - als gute Filme schlechthin. Es handelt sich dabei um
Psycho (USA 1960), The Texas Chainsaw Massacre (USA 1974) und The Silence of
the Lambs (USA 1990). Drei Filme mit einer Gemeinsamkeit: Der Fall Gein
diente ihnen mehr oder weniger explizit als Drehbuchvorlage. Ästhetisiert
wurde Geins Geschichte auch in zahlreichen anderen Filmen, so dass seine Morde
eine Flut von literarischen und vor allem filmischen Nachahmungstaten hervorbrachten.
All diese Slasherfilme und ihre Sequels nennen zu wollen, ist eine fast unlösbare
Aufgabe. Ich schätze, dass es ungefähr 500 Filme geben dürfte,
die sich zu diesem Subgenre rechnen lassen.
Die Geschichte der Serien-Mörder ist also zunächst eine wahre Geschichte.
Das ist wichtig, denn Authentizität ist bei allen Filmen, die sich mit
dem Thema befassen, - zumindest vordergründig - immer ein wichtiges Element.
Um die Wahrheit buhlen die Streifen mit sacherklärenden Vorspannen (TCM),
genauen Jahreszahlen (Silent Night - Bloody Night [USA 1986]) oder Erzählhaltungen,
die das Dokumentarische suggerieren (Henry - Portrait of a Serial Killer [USA
1986] oder stark selbstreferenziell: Funny Games [Ö 1997]).
Was diese Filme über ihre Inspirationsquelle hinaus ästhetisch
gemeinsam haben, will ich im Folgenden untersuchen.
Anfang
der 80er Jahre wurde der eigentliche Grundstein des Erfolgsprinzips Slasher-Sequel
mit Psycho 2 (USA 1982) und Friday the 13th Part II (USA 1982) gelegt. Seither
ist so ziemlich jeder Subgenrebeitrag in Serienproduktion gegangen und aus den
Massenmördern Norman Bates (Psycho), Michael Myers (Halloween), Jason Vorhees
(Friday the 13th) und Freddy Krüger (A Nightmare on Elm Street) sind Serienkiller
geworden.
Zusammen mit dem Vermarktungsprinzip hat sich dabei eine ganz spezielle Logik
der Fortsetzungen heraus kristallisiert. So muss z. B. dafür gesorgt
sein, dass der Killer von Teil zu Teil identifizierbar bleibt und jeder Teil
muss an seinem Ende eine gewisse Schnittstelle für eine mögliche
Fortsetzung bieten.
Um identifizierbar zu bleiben, hat es zum Beispiel Cunninghams Friday the 13th
John Carpenters Halloween gleich getan und seinem Killer eine Maske vors
Gesicht gehalten, die von Teil zu Teil seine weithin erkennbare Unerkennbarkeit
geworden ist. Hinzu kommt bei Jason Vorhees ein interessanter Hang zu langen,
scharfen Messern (sog. Macheten) als Mordwaffe. Darüber hinaus
ist Jason aber nicht so wählerisch: Von der bloßen Hand bis zum Stahlnagel
ist alles als Mordwaffe zu gebrauchen. Anders da schon Fred Krüger aus
A Nightmare on Elm Street. Sein Klingenhandschuh hat ihn über sechs Teile
nie im Stich gelassen. Und auch Leatherface aus Texas Chainsaw Massacre ist
uns unüberhörbar geworden durch seine lustig brummenden Kettensägen.
Die zumeist billigeren Rip-Offs verzichten aber auf ein Markenzeichen oder schaffen
es nicht, eines zu (er-)finden, das originell genug wäre, um im Zuschauergedächtnis
haften zu bleiben. Andere Serien, wie Prom Night (1979), Sleepaway Camp (1983)
oder Slumberparty Massacre (1987) konzentrieren sich eher auf wiederkehrende
Handlungsschauplätze (eben Abschlussbälle, Sommercamps oder Pyjamaparties).
Bei wenigen Killerserien kommen eher artifizielle Wiedererkennungszeichen zum
Einsatz. So besitzen Killer wie Jason Vorhees, Freddy Krüger oder Michael
Myers gar eigene Erkennungsmelodien, die entweder als Thema innerhalb des Soundtracks
immer wieder mit ihnen in Verbindung gebracht werden oder - wie im Falle von
Jason Vorhees (ein eigentümliches Atem-Geräusch) - derart markant
sind, dass ihr Abspielen allein den kommenden Mord ankündigt, auch wenn
noch gar kein Killer zu sehen ist.
Mit dem Offenlassen von Möglichkeiten einer Wiederkehr geraten die meisten
Plots in ein Spannungsfeld. Denn das dem modernen Horrorfilm ureigene Bedürfnis
der Katharsis muss gewahrt bleiben: Am Ende muss alles gut werden. Doch die
Produktionsökonomie muss sich eine Fortsetzung (falls Erfolg eintritt)
unbedingt offen halten. Und so hat man sich beispielsweise in Psycho 2 damit
beholfen, dass Norman Bates irgendwann wieder aus der Psychiatrie entlassen
wurde.
Das ist zwar angesichts der Schwere seiner Taten wenig wahrscheinlich, aber
notwendig angesichts von fünf Fortsetzungen, die der Anwesenheit des unscheinbaren
Psychopathen bedürfen (In Psycho 4 [1990] berichtet Bates allerdings aus
der Behaglichkeit seiner Gummibehausung heraus von seinen Taten). Da ist die
Flucht aus der Irrenanstalt, wie auch in Halloween wiederholt als Begründung
genutzt, schon glaubhafter. Aber spätestens mit dem Ausgang des Vietnamkrieges,
als man lernte, dass eigentlich jede Geschichte ein böses Ende findet,
begann auch der Slasherfilm immer offener zu enden. So regt sich dann zum Beispiel
am Ende immer noch einmal ein kaltgeglaubtes Händchen oder zwei Augen,
die man für immer zu schließen gehofft hatte, öffnen sich zwischen
der Kehrtwende des letzten Überlebenden und dem Abspann des Films.
Die
Frage, wie es ein durchaus mittelmäßiger Film wie Friday the 13th
(USA 1979) zu nun bald neun Fortsetzungen bringen konnte, ist nicht so leicht
zu erklären. Ich halte Theorien, nach denen man sich als Zuschauer so gern
dem Schrecklichen aussetzt, auf Slasherfilm-Sequels angewandt, für fragwürdig.
Denn es scheint mir vielmehr so zu sein, dass das Schreckliche in den Slasherfilmen
seinen Schrecken von Folge zu Folge gegen eine ihm neue Qualität einbüßt.
Eine eigenartige Verschiebung findet statt zwischen der Opfer- und der Täterrolle.
War der konventionelle Horrorfilm noch darauf aus, Mitgefühl mit den Opfern
zu wecken, so verschwindet dies in Slashersequels zusehends und macht einer
Sympathy for the Devil Platz; und zwar um so intensiver, je höher
der Fortsetzungsindex der Serie ist. Bei Friday the 13th ist es zum Schluss
allein Killer Jason, der im Zentrum des Zuschauerinteresses steht. Alle übrigen
Charaktere sind derart oberflächlich angelegt, dass ihre Bedeutungslosigkeit
von vornherein klar ist.
Gefördert wird die erstarkende Popularität des Killers dadurch, dass
er unsterblich zu sein scheint. Etwas, dass ihn von seinen Opfern
grundsätzlich unterscheidet. Und so haben die Serienkiller dann auch bald
mehr mit Superhelden gemein, als mit Figuren, die ausschließlich Böses
im Sinn haben. Darauf verweisen besonders auch Scream 1 (1996) und Scream 2
(1997), in denen die Filmkiller eindeutig als Idole fungieren (denen die Scream-Protagonisten
nacheifern). Ebenfalls ähnlich den Superhelden bleibt die wahre Identität
immer hinter einer Maske, einem Haufen Brandnarben oder - wie bei Angela im
Sleepaway Camp - einem braven Mädchengesicht verborgen. Das
sichert nicht nur einen hohen Grad an Wiedererkennung, sondern auch die Auswechselbarkeit
der Schauspieler, die sich hinter der Maske aufhalten. Nur die wenigsten Killerserien
behalten ihre Darsteller (z. B. Gunnar Hansen in TCM und Robert Englund in A
nightmare on Elmstreet).
Doch auch innerhalb größerer gesellschaftlicher Diskurse lassen sich
Erklärungen für die Popularität der Killer finden. So ist das
Erstarken der konservativen Kräfte im Slasherfilm-Hauptproduktionsland
USA mit der Präsidentschaftswahl des ehemaligen Revolverhelden Ronald Reagan
1981 ein hinlänglich bekanntes Erklärungsmuster für die Masse
der Serienkillerfilme. Denn wenn man ihnen auch eine Menge vorwerfen kann, so
muss man doch erwähnen, dass ausnahmslos alle Serienkiller für Zucht
und Ordnung sorgen. Überflüssig zu erwähnen, dass die Opfer
zumeist sexuell experimentierfreudige Teenager sind, sehr oft auch Farbige und
andere Personen & Personengruppen, die unter Rassehygieneträumen schon
immer etwas mehr zu leiden hatten.
So zieht Freddy Krüger in den feuchten Träumen Pubertierender umher,
um als die Nemesis der Keuschheit jeden frivolen Gedanken schwer zu ahnden.
Ebenso Jason Vorhees (als Campaufsicht) und Michael Myers (der sich vor allem
auf sexuelle Pflichtverletzungen beim Babysitten spezialisiert hat). Diejenigen,
die enthaltsam waren, überleben den Film und schaffen es sogar nicht selten,
den Killer für zumindest eine Folge zu beseitigen.
Es hat sich also gezeigt, dass an den Serien-Killern eigentlich
kaum etwas zu fürchten ist. Der Kult, der sich um die Figuren etabliert
hat, steht jeder Angst im Wege. Und selbst erschrecken will man sich nicht mehr,
wenn - unerwartet? - der Killer hinter einer Tür lauert. Die oft kopierte
Dramaturgie und der entlarvende Soundtrack verraten den Aufenthaltsort lange
im Voraus.
Die Faszination, der Kult, steckt bei vielen dieser Filme oft in einem einzigen
Detail; der Frage, wie das nächste Opfer aus dem Leben befördert wird.
Und in der Variation dessen sind die Filme wahre Meisterstücke. Der Einfallsreichtum
der Drehbuchautoren findet kaum Grenzen, wenn es darum geht, Gegenstände
des Alltags zu Mordinstrumenten umzufunktionieren, Positionen, Räume, Gebäude,
Tages- und Nachtzeiten zu ersinnen, in denen gestorben werden kann.
Eine Methodologie der Mordwaffen wurde auch bald zum Thema des Subgenres. Die
Waffen hielten nicht nur - wie beim Texas Chainsaw Massacre, Driller Killer
(USA 1979 von Abel Ferera!) oder der Säge des Todes (D 1980) - Einzug in
die reißerischen Titel. Sie dienten auch als Reflexionsgegenstände
der Erzählung selbst. Vor allem die Sleepaway Camp-Serie und Scream sinnieren
über den filmischen Missbrauch von Werkzeug und anderen Alltagsgegenständen.
Die
Ähnlichkeiten zwischen den einzelnen Serienkillerserien sind vielfältig.
Sie haben in Eddie Gein alle denselben Vater zum Vorbild und sind deswegen alle
verbrüdert.
Auch ihre Wesenszüge sind allesamt ererbt: Serienkiller sprechen nicht
oder nur wenig. Und wenn sie sprechen - wie im Falle Angelas - dann nur sehr
weniges und immer in Andeutungen auf ihre wahre Passion. Serienkiller haben
also keine echte Verbindung zu ihrer sozialen Umwelt. Sie sind nicht nur Sym-
und Psycho-, sondern auch Soziopathen. Ihre einzige Ausdrucksmöglichkeit,
ihr einziges Mittel mit anderen in Kontakt zu treten, ist der Mord.
Und über diesen teilen sie sich ihren zukünftigen Opfern überdeutlich
mit. Am Ende einer jeden Folge ist ein letztes (oft besonders schuldiges)
Opfer auserwählt, eine Spur aus Leichen abzuschreiten, die der Killer ihm
als Botschaft und Prophezeihung hinterlassen hat. Der zwar erschreckte, doch
eigentlich immer mutige Delinquent schreitet mit jeder Leiche, die er findet,
auf sein eigenes Ende zu.
Am Filmanfang waren unsere Helden einfach nur Verrückte (eben ganz wie
Papa Eddie) und wurden am Ende des ersten Teils - wie sichs gehört
- in Irrenhäuser verfrachtet. Doch spätestens mit 21 - dem Entwachsensein
der Jugend - kommen sie frei. Entweder hauen sie einfach ab (Michael Myers)
oder werden als geheilt entlassen (Angela). Und oft genug gibt es irgendjemanden,
der von Anfang an bezweifelt, dass es richtig gewesen ist, unseren Helden die
Freiheit zurück zu geben.
In Halloween ist das Dr. Sam Loomis. Der Name klingt nicht zufällig nach
looney: ist doch der von Donald Pleasence verkörperte Psychiater
schon fast genauso neurotisch, wenn es darum geht, seinen Zögling wieder
einzufangen, so dass sich bald überdeutlich zeigt, welcher Dialektik beide
angehören. Apropos Ähnlichkeit: Auch der Freund von Marian Crane (Janet
Leigh) in Psycho heißt Sam Loomis (gemimt von John Gavin). In seinem Bemühen,
Norman Bates das Handwerk zu legen, stand er seinem promovierten Nachfolger
aus Halloween sicher in nichts nach. Na, und dass einer der beiden Mörder
in Scream ebenfalls Billy Loomis (Skeet Ulrich) heißt, scheint wenig zufällig
und gehört zu den wirklich subtilen Elementen in Cravens Film.
Das manifeste Ziel, auf das jeder einzelne Teil von Halloween,
Friday the 13th, TCM und der anderen Slasherfilme hinausläuft, ist die
Demaskierung des Killers. Bevor die Neugierigen endgültig in den Kreis
der Opfer treten, wollen sie noch eben das Geheimnis lüften und die Identität
hinter der Maske entlarven. Was sie natürlich nicht wissen können:
Selbst wenn ihnen das jemals gelänge (und das wird es nie!), würden
sie nichts finden.
Denn der Serienkiller in der Killerserie hat keine Identität. Und er tötet
seine Opfer wie ein Opferpriester ohne persönliches Motiv. Er erfüllt
seinen rituellen Auftrag (seis im Namen des Puritanismus oder für
die Genrekonventionen). Er vereinigt in einer Figur einen ES-Mythos, der seine
Destruktions-Triebe ungehemmt auslebt und eine ÜBERICH-Figur, die immer
dieselben Motive für ihre Taten hat: die Bestrafung der ungezügelten
Triebbefriedigung. Dazwischen existiert kein ICH, das vermitteln oder gar die
Taten verhindern würde. Es hat sich inmitten der Nervenheilanstalten nie
herausbilden können oder ist längst tot, weil der Killer ein Untoter
ist (wie Jason, der als Kind ertrunken ist). Oder es ist in seiner Psychogenese
auf die eine oder andere Weise übel zerbrochen worden (wie bei Angela,
die eigentlich ein Junge ist und als Kind von der Tante immer Kleider angezogen
bekam).
Hier erklärt sich auch das eigentlich Penetrierende am Akt, den der Killer
mit seinem Ersatz-Penis-Messer ausführt, mit dem er in die fremden Körper
eindringt und damit aus jedem Mord einen einmaligen Geschlechtsakt macht. Verloren
die Opfer beim illegalen Petting ihre moralische (und manchmal, wenn der Killer
durch irgendetwas aufgehalten wurde, auch die genitale) Unschuld, so zerreißt
im Ermordetwerden ihr letztes, leibliches Hymen, die körperliche Unversehrtheit,
an deren Stelle die finale Schnittstelle tritt.
Doch wie ist ein untoter Killer zu stoppen? Mit welchen Überredungskünsten
hält man einen Menschen ohne Persönlichkeit davon ab zu morden? Eigentlich
ist das unmöglich. Und so erfindet jeder Teil jeder Serienkillerserie eine
Methode, sich (bis zum nächsten Mal) des Killers zu entledigen.
Eine nicht unwesentliche Rolle spielen dabei symbolisch stark besetzte Elemente
wie Spiegel, Wasser, Blitze, Feuer oder Jungfrauen/-männer. Es ist eigentlich
immer ein Wunder, welches den Killer besiegt - und ein ebensolches
Wunder erweckt ihn im darauffolgenden Teil wieder zum Leben. Es
wäre müßig, hier alle Methoden nennen zu wollen (und zudem würde
der Platz nicht reichen), mit denen Jason, Freddy oder Michael schon beseitigt
wurden.
Eine Ausnahme bilden hiervon die Killer, die etwas menschlicher
sind, als die drei oben genannten. Sie sind zwar verwundbar, aber ihre Wunden
stoppen sie nicht, sondern bringen sie nur noch mehr in Rage. Wie oben bemerkt:
Die Serienkiller sind in ihrem Debüt-Film zumeist noch Menschen, aber es
dauert trotzdem volle 90 Minuten, sie zur Strecke zu bringen. Ein besonders
widerspenstiges Exemplar ist der Man Eater (Luigi Montefiori alias George Eastman),
der im gleichnamigen Streifen erst einhält, Leute zu verspeisen, als man
ihm mit der Axt den Wanst aufschlägt. Doch nicht etwa daran stirbt er,
sondern an Selbstverdauung seiner Eingeweide, die er aus der frischen Wunde
herauszutzelt und sogleich herunterschlingt. Schon 1980 wies dieser eigentlich
saublöde italienische Splatterstreifen auf das potenzielle Ende der Slasher-Ära
hin: Suizid und Selbstverdauung.
Aber wie lange lässt sich das immergleiche Prinzip wiederholen?
Wann wird der Vorrat an Mordwaffen aufgebraucht sein und damit zwei Opfer auf
die gleiche Weise aus dem Plot scheiden? Dass es ein Prinzip gibt, dass hinter
all den Filmen steht, habe ich nicht als Erster bemerkt. Slasherfilme selbst
haben sich seit den 90er Jahren ihrer Strukturen angenommen und sie reflektiert.
Dies sind vor allem die letzten beiden Teile der Sleepaway Camp-Serie und Wes
Cravens Scream-Filme.
War Blutiger Sommer - Camp des Grauens (Sleepaway Camp, 1983) noch ein schlichter
Metzelfilm, so stellen Teil 2 (Unhappy Campers, 1987) und Teil 3 (Teenage Wasteland,
1989) unter der Regie von Michael A. Sampson kleine Meisterwerke voll subtiler
Zitate dar. Beispiel: Angela, die als geheilte Serienkillerin nun selbst ein
Sommercamp leiten darf, handelt ganz offensichtlich puritanisch
und tötet jeden, der unkeusche Taten vollbringt, nicht jedoch, ohne den
Zuschauer vorher auf die Verfehlung hinzuweisen. Besonders hohen Verschleiß
an Menschenmaterial verursacht sie bei einem Mädchen-Zelten unter freiem
Himmel, als sich ein paar geile Lausbuben vornehmen, verkleidet als Freddy Krüger
und Jason Vorhees die Mädels zu erschrecken. Mit selbstgebasteltem Handschuh
und Papp-Machete schleichen Sie sich durch den Wald. Dort treffen Sie auf Leatherface,
hinter dessen Maske sie einen Freund aus ihrer Gruppe vermuten.
Allerdings handelt es sich dabei um Angela, die sich nur die Gesichtshaut
dieses Freundes vor das eigene Gesicht gehängt hat (eben wie Leatherface
in TCM) und deren Motorsäge - zum Leidwesen der beiden Camper - echt ist.
Im dritten Teil wird die Anlehnung dann schon ein wenig aufdringlicher. Als
zwei Camper beim Angeln eine Eishockeymaske aus dem See fischen, fragt einer
der beiden, welches Datum denn wäre
na, welches wohl.
Wes Craven hatte sich 1996 zum Ziel gesetzt, das gesamte Subgenre einer filmischen
Analyse zu unterziehen. In Scream hat er alles darauf angelegt, seine berühmten
Vorbilder von Psycho bis Halloween zu zitieren. Er hat damit geschafft, was
hunderte Filme vor ihm versuchten: dem Slasher-Film nach Psycho wieder zur Popularität
zu verhelfen. Konsequenterweise setzt sich die Fortsetzung von Scream dann auch
mit dem Thema der Fortsetzung von Slasher-Filmen auseinander. Wovon der dritte
Teil handeln wird, werden wir noch dieses Jahr erfahren. Und auch ein neuer
Friday the 13th-Teil steht ins Haus, Untertitel: Freddy vs. Jason. Es deutet
sich an, dass die Verdopplung der Killerfilmästhetik in Zukunft das eigentliche
Thema der Beiträge werden wird. Ein Quantensprung, dem auch Produktionen
wie I know what you did last summer keinen Abbruch tun werden.
[Stefan Höltgen]