Rezensionen

Cocktail über eine Leiche

Am 13. August 1999 feierte man Sir Alfred Joseph Hitchcocks 100. Geburtstag. Anlässlich dieses denkwürdigen Tages erschienen zahlreiche neue wie auch neu aufgelegte Publikationen über den berühmten wie erfolgreichen Regisseur, der wahrlich ein Meister seines Fachs war, ein Virtuose auf allen Teilgebieten des Filmschaffens - »Er ist Spezialist nicht für diesen oder jenen Aspekt des Films, sondern für jedes Bild, jede Einstellung, jede Szene. Ihn faszinierten die Probleme der Drehbuchkonstruktion genauso wie die des Schnitts, der Fotografie und des Tons. Zu allem fällt ihm etwas ein, um alles kümmert er sich - sogar um die Werbung, wie sattsam bekannt ist.«, stellte bereits François Truffaut in seinem berühmten Interview bewundernd fest. Die Beschäftigung mit Hitchcock fasziniert, sein Werk ist zeitlos und hat auch im Jahr 1999 nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Ein Grund zum Feiern.

Alfred Hitchcock verstand es meisterhaft, Geschichten zu erzählen. »… Sie so zu erzählen, daß die Pointe nicht verlorengeht, auch so, das sie nicht zu früh gebracht wird …, die Zuhörer in suspenso zu halten, mich mit kleinen Bewegungen episodischer Art zu vergewissern, welchen Ausgang sie sich wünschen …, sie im Verlauf der Erzählung zu narren, so daß die Zuhörer plötzlich merken, daß es auch anders verstanden werden kann …«. Hitchcock übte mittels seiner Anekdoten, die er kunstvoll in sein filmisches Schaffen transformierte, eine Faszination auf sein Publikum aus wie kein zweiter Regisseur.
Hitchcock erschuf bereits zu Lebzeiten seine eigene biographische Legende; in seiner Kunst spiegeln sich Erlebnis wie Fiktion, die Grenzen verlaufen fließend, wenn ›Hitchcock presents‹. Patalas verknüpft Hitchcocks Leben und Werk, den schüchternen Privat- und tüchtigen Geschäftsmann, äußerst geschickt, wohl wissend, wie gern dieser außergewöhnliche Regisseur seine Selbstdarstellung minutiös inszenierte, Anekdoten immer wieder gern zum Besten gab und sich somit wohlüberlegt zur Kunstfigur stilisierte.
Hitchcock produzierte seine Filme in erster Linie für die Kritik, sie verkörperte für ihn die Brücke zum Publikum, sie sei dessen Mentor wie Agent. Sein Publikum ist für ihn stets präsent gewesen, nie hat er es während der Entstehung seiner Filme aus den Augen verloren. Seinem Publikum ist der Regisseur wiederum ebenfalls eine vertraute Erscheinung - etwa durch seine Kurzauftritte in seinen Filmen. Patalas resümiert: »Hitchcock wurde … als Regisseur zum Star.«
Patalas korrigiert augenzwinkernd manche vom ›Meister des Suspense‹ in die Welt gesetzten Gerüchte und liefert gleichzeitig eine Fülle an zusammengetragenem Material über oder im Zusammenhang mit Hitchcock stehender Details aus Interviews, Reden, Biographien, Filmdialogen uvm.
Patalas ›Hitchcock-Bildnis‹ präsentiert dem Leser den wohl populärsten Regisseur der Filmgeschichte auf eine wortgewandte, detailfreudige wie kurzweilig-amüsante Weise - pointensicher - wie Hitchcock.

Enno Patalas
 Alfred Hitchcock
 München: dtv (dtv portrait) 1999
 159 S.; 14,90 DM

Die bereits zu einem Standardwerk avancierte Werkbiographie »The Art of Alfred Hitchcock« (Originalausgabe von 1976) liegt nun in der deutschen Erstausgabe vor unter dem Titel »Alfred Hitchcock und seine Filme«. Donald Spoto setzt sich in dieser revidierten Ausgabe kritisch und mit Liebe zum Detail mit allen »abendfüllenden Spielfilmen« Alfred Hitchcocks auseinander. Besondere Beachtung verdient die Werkbiographie insbesondere dadurch, dass sie von Hitchcock autorisiert ist und ihr somit - bemerkens-werterweise - seine persönliche Wertschätzung widerfuhr.
Donald Spoto setzt in Alfred Hitchcocks filmischer Laufbahn eine Zäsur für das Jahr 1934/35. The 39 Steps, der 1935 entstand, bedeute einen »qualitativen Sprung«; Hitchcocks Filme aus der Zeit des Frühwerks, das bis 1934 bereits 17 Filme umfasste, seien »historische Kuriositäten - interessante Werke eines begabten Anfängers, aber keine filmischen Meisterwerke«, urteilt Spoto. Daher finden Hitchcocks Stummfilme (1925-29), sein erster (Teil-)Tonfilm Blackmail (1929) sowie seine frühen Tonfilme (1930-34) zwar Eingang in die vorliegende Ausgabe, werden aber deutlich kürzer behandelt als die nachfolgenden 36 Filme des Genies, von denen jeder ein eigenes Kapitel füllt.
Donald Spoto verleiht seiner Hochachtung für Alfred Hitchcock in dieser völlig überarbeiteten Ausgabe von »The Art of Alfred Hitchcock« Ausdruck. Dabei weiß er um den subjektiv gefärbten Charakter einer jeden Interpretation eines Werkes durch einen Interpreten, deshalb habe er in seinem Buch einfach versucht »zu dem kreativen, kritischen Dialog über das Werk eines Mannes beizutragen …«.
Spotos umfassende Werkbiographie ist angereichert mit über 100 Fotos, darunter befinden sich auch exklusive Bilder von The Birds und Marnie aus Tippi Hedrens persönlicher Fotosammlung, desweiteren enthält sie viele Storyboard-Zeichnungen. Die Lektüre veranlasst durchaus dazu, die Kunstwerke Hitchcocks noch ein (weiteres) Mal mit neuen Perspektiven zu ›entdecken‹ - »… aber Sie sollten sich vor dem MacGuffin hüten. Er führt Sie nirgendwohin.«

Donald Spoto
 Alfred Hitchcock und seine Filme
 München: Wilhelm Heyne (Heyne Filmbibliothek) 1999
 495 S.; 24,90 DM

Auch der renommierte wie fleißige Filmwissenschaftspublizist Georg Seeßlen hat in Co-Herausgeberschaft mit Lars-Olav Beier einen wertvollen informativen Beitrag anlässlich des Ehrentages Alfred Hitchcocks vorgelegt.
Bekanntlich wachte Alfred Hitchcock argwöhnisch darüber, dass sein Privatleben zu keiner Zeit in irgendeiner Form ins Licht der öffentlichen Presse getragen wurde. Niemandem außer sich selbst gestattete er, seine Person in Szene zu setzen. Und Hitch vermarktete sich grandios. Dennoch sind sein privates Leben und sein künstlerisches Werk untrennbar miteinander verwoben. Aus genau diesem Grund ist Hitchcocks Leben mit seinen Filmen in der Publikation »Alfred Hitchcock« durchgängig ineinandergreifend analysiert. Das Buch ist in seinem Aufbau zweigeteilt, dabei gestalten sich der erste und der zweite Teil quantitativ gleichrangig.
Im ersten Abschnitt sind bekanntere wie unbekanntere Autoren versammelt, denen es ein »Herzensbedürfnis« war, dazu beizutragen, dass man sich erneut mit dem umfangreichen und unschätzbar wertvollen Werk Alfred Hitchcocks auseinandersetzen möge. Sie nähern sich essayistisch auf unterschiedlichste methodische und auch persönliche Weise einzelnen Aspekten des Werks Hitchcocks. Die Essays - zehn an der Zahl - beleuchten etwa, was es mit dem »Dandy in Mr. Hitchcock« auf sich hat; Thomas Elsaesser erläutert die Mechanismen, derer sich Alfred Hitchcock zur erwähnten Kultivierung seiner Person in der Öffentlichkeit bediente. Brigitte Desalm gibt Aufschluss über den »Blick« im Werk Hitchcocks. Lars-Olav Beier veranschaulicht dem Leser den »ärgsten Feind Hitchcocks - die Logik«, die damit einhergehende »kalkulierte Willkür« innerhalb des Hitchcock’schen Werks; wir erfahren, warum wir als Zuschauer dem Meister des Suspense unübersehbare Ungereimtheiten immer wieder gerne verzeihen. Und Georg Seeßlen bringt uns nahe, was wir schon lange vermuteten - »Warum es keine wirkliche Nachfolge von Alfred Hitchcock gibt«, um nur einige Autoren exemplarisch zu erwähnen.
Im zweiten Abschnitt ist das Konzept der Autoren-Vielfalt beibehalten. In diesem zweiten Teil wird das in einem Zeitraum von einem halben Jahrhundert entstandene, insgesamt über fünfzig Filme umfassende Werk Alfred Hitchcocks Film für Film analysiert. Die Darstellung der einzelnen Filme folgt in chronologischer Abfolge, die Interpretatoren setzen dabei unterschiedlichste Methoden an.
»Alfred Hitchcock« ist bereits bei Erscheinung eines der zukünftigen Grundlagenwerke. Den zahlreichen Autoren ist ein innovativer Zugang zum Werk Hitchcocks in beeindruckender Weise gelungen. Das Buch stellt eine durchaus wertvolle Informationsquelle dar, es regt zur Diskussion an - insbesondere durch die Methodenvielfalt der Essays wie auch aufgrund der teils widersprüchlichen autorenspezifischen Einschätzungen des Hitchcock’schen Universums. Zusätzlich enthalten ist ein von Ralph Eue und Karlheinz Wegmann geführtes Interview mit Joan Harrison, die lange Zeit eine der engsten Mitarbeiterinnen Hitchcocks war. Die angeführte Filmografie enthält auch die Fernsehproduktionen, sowie diejenigen Produktionen, an denen Alfred Hitchcock in unterschiedlichster Funktion mitgewirkt hat. Zahlreiche interessante schwarzweiße Fotos lockern die Texte zusätzlich auf.

Lars-Olaf Beier u. a. (Hrsg.)
 Alfred Hitchcock
 Berlin: Bertz-Verlag. film: 7
 480 S.; 39,80 DM (Taschenbuch)

[mmm]


Nachschlag

Kult kommt aus dem Lateinischen, heißt “Pflege, Bildung, Verehrung (einer Gottheit)”. Kult mag Kultur assoziieren, aber wessen? Wer bestimmt eigentlich, was Kult ist? Oder gelangen Kultobjekte nur in einen sich verselbstständigenden Karrierestrudel bis hin zum Kultstatus? Und was überhaupt sind Kultobjekte? Sind es notwendigerweise nur Dinge, die mit Kultur zu tun haben? Was lässt sich wiederum hiervon abgrenzen? Alles, was ist, kann Kultstatus erlangen, und wenn nichts ist, ist eben das Nichts Kult.
Filme beispielsweise sind Kult, nicht alle und wie man herausfindet, welche sich so bezeichnen dürfen, versucht Rudi Steiner im Vorwort des Lexikons der Kultfilme zu erklären: “Kultfilme sind die Filme, an die man als erstes denkt, wenn man danach gefragt wird.” Er versucht, die von einem Film ausgehende Faszination sowohl an dessen Thema, an den Figuren, der Handlung oder der Originalität, sowie an der Umsetzung festzumachen. Mit Hilfe von F.-B. Habel, der das Lexikon mit Werken aus Russland und der DDR ergänzt hat, trug Steiner die Kultstreifen seit Entstehung des Films zusammen. Blutige Erdbeeren, Casablanca, Das Dschungelbuch, Einer flog übers Kuckucksnest, Für eine Handvoll Dollar, Goldrausch, Halloween, James Bond ...: Sie sind bekannt. (Wer die Filme nicht selbst gesehen hat, hat zumindest ihre Titel schon gehört.) Sie brechen Tabus, sie begeben sich auf neue Gebiete - sei es thematisch oder dramaturgisch -, sie geraten in Unvergessenheit.
Im Anschluss an jede Beschreibung werden die wichtigsten Filmdaten geliefert. Die Systematik in der Auflistung der Filme wird zeitweise dadurch unterbrochen, dass einzelne Filme von Filmgenres abgelöst werden. Auf diese Weise wird den Gattungen zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet, die Einordnung der Titel wird erschwert. Mehr Konsequenz wäre auch in grammatikalischer, orthographischer, stilistischer Hinsicht wünschenswert gewesen.
Dem Anspruch des Einbandes, einen Überblick über alle Kultfilme zu verschaffen, widerspricht schon das Vorhaben noch in diesem Jahr einen zweiten Teil zu veröffentlichen.

Rudi Steiner und F.-B. Habel
 Das Lexikon der Kultfilme:
 Klassiker, Kuriositäten, Katastrophen: Kino-Phänomene mit ewiger Faszination
 Lexikon Imprint Verlag
 347 S.; 29,80 DM

Auch Lachen ist Kult, oder sind es diejenigen, die einen zum Lachen bringen? Eine Szene, in der Stan Laurel seinen Kumpel Oliver Hardy die Treppe hinunter schubse, sei Poesie, konstatierte der Dichter und Lebenskünstler Dylan Thomas während einer Diskussion über Filmkunst in New York. “Große Spaßmacher”, leitet Rainer Dick daraus ab, “sind auch immer große Poeten.” Er hat über 300 Filmkomiker in einem Lexikon vereint. Einige seien erwähnt: So der für das Fach des unterprivilegierten Kleinbürgers durch verhaltene Körpersprache und gedämpfte, fast brüchige Stimme prädestinierte Max Adalbert. Die bekannteste Rolle des 1874 in Danzig Geborenen ist der allzeit getretene Schuster Wilhelm Voigt in der Erstverfilmung von “Der Hauptmann von Köpenick” (1931). Die Erwähnung dieses Filmes assoziiert einen nächsten Schauspieler: Heinz Rühmann – keineswegs nur Komiker, aber Meister der leisen Ironie. Verschmitzt lächelnd, schüchtern und gleichzeitig lausbübisch spielte er sich in die Herzen dreier Generationen. Nicht annähernd so umfangreich ist die Filmografie des Richard Pryor. Dafür lebt der auf verbale Gags gegen den Rassismus spezialisierte Amerikaner auch noch. In Deutschland wurde er insbesondere durch gemeinsame Filme mit Gene Wilder bekannt, in denen beide eine Art schwarzweißes Komikerpaar bilden. Sein untertrieben gesagt unkonventionelles Privatleben sorgte immer wieder für Schlagzeilen. Missbrauch von Drogen und Alkohol führten nahezu zur Selbstzerstörung, seit Beginn der 90er krankt er an einem Muskelleiden. Einer seiner bekanntesten Streifen ist Harlem Nights. Hier spielt er den Geschäftspartner von Eddie Murphy, dessen freches, an Sprechgeschwindigkeit nicht zu übertreffendes Plappermaul die Menschen scharenweise in die Kinos lockt. Innerhalb eines Jahrzehnts haben Leinwandwerke, in denen er mitwirkte, eine Summe von über zwei Milliarden Dollar eingebracht.

Rainer Dick
 Lexikon der Filmkomiker:
 Ihr Leben, ihre Rollen, ihre Filme – über 300 Filmkomiker
 Lexikon Imprint Verlag
 351 S.; 29,80 DM

[kom]


Vom Aasfresser zum Zyklopen

Das beschreibt nicht etwa die Genealogie des modernen Carnivoren, sondern stellt die Randbegriffe von Christian von Asters Horror-Lexikon dar. Bemerkt sei hierzu, dass das 350 Seiten starke Werk aus dem Lexikon Imprint Verlag zunächst einmal ein Textsortenfehler ist, denn es handelt sich gar nicht um ein Lexikon. Auf den ersten Blick scheint die alphabetisierte Aneinanderreihung der Stichworte ja zum Nachschlagen zu verführen, wer sich allerdings seinen Hang zum Morbiden freimütig eingesteht, wird das gelbe Büchlein bald schon ganz brav wie einen Roman von vorn bis hinten durchlesen und dabei Erhellung über Filme, deren Regisseure, Motive, Phantastisches und Grauenhaftes finden.
Kostprobe gefällig? Stichwort Tal: “In der Regel zwischen Bergen befindliche Tiefe, die im Gegensatz zur Schlucht bewohnbar und begehbar ist. Da aber Täler in der Regel ein wenig abseits liegen und schwerlich zu erreichen sind, sind es hervorragende Orte zur Ansiedlung von ungewöhnlichen, urzeitlichen Kulturen, die unentdeckt seit hunderten von Jahren obskuren Riten frönen. Seltsame kannibalisch veranlagte Dorfbewohner u. ä. lassen sich problemlos ansiedeln und geben im »Tal der Verdammten / Untoten / reitenden Leichen oder schmutzigen Socken« auch noch einen blendenden Titel ab …”
Man sieht, humorvoll wie akribisch recherchiert bietet das Horror-Lexikon alles, was zum Mitreden auf Gruftiparties, an Halloween oder im Anatomie-Praktikum nötig ist. Ein “blendender Titel” und eine dringende Kaufempfehlung.

Christian v. Aster
 Horror-Lexikon
 Von Adams Family bis Zombieworld: Die Motive des Schreckens in Film und Literatur.
 Lexikon Imprint Verlag 1999
 352 S.; 29,80 DM (Taschenbuch)

[Stefan Höltgen]


Alle Jahre wieder

Es scheint fast so, als habe der Schüren-Verlag seine Leidenschaft für Georg Seeßlen entdeckt, denn nur 2 Jahre nach Erscheinen der dritten Auflage seines Buches “David Lynch und seine Filme” präsentiert Schüren in Zusammenarbeit mit Arte die vierte (erweiterte und überarbeitete) Auflage. Was ist überarbeitet und um was wurde erweitert?
Überarbeitet hat man vor allem das Layout. Weg von der Einspaltigkeit, die zwar klassisch ist, aber dem Lesen und Arbeiten mit dem Text nicht unbedingt förderlich (und nicht zuletzt dem Seitenumfang des Buches nicht besonders zuträglich), hin zur zweispaltigen Präsentation des Textes. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Mehr Text auf weniger Seiten und besserer Lesefluss. Dann wurde noch das Papier gewechselt (vom altweißen, porigen Ökopapier auf gebleichtes Weiß): auch ein klarer Lesevorteil.
Was die Erweiterung angeht, so ist neben zahlreichen neuen Abbildungen ein Kapitel über The Straight Story hinzugekommen. Seeßlen wendet darin seine profunden Techniken der Lynchrezeption an und gliedert das jüngste Werk - das nur augenscheinlich gar nicht in das Œvre der vorangegangenen neun Kinofilme passen will - theoretisch und ästhetisch in Lynchs Arbeit ein. Seeßlen holt dabei weit aus und spiegelt die These des “nicht zu Ende geborenen Mannes” aus Eraserhead nun auf Alvin Straight. So wie viele Exegeten nach The Straight Story behaupteten, Lynch sei nun “erwachsen” geworden, postuliert Seeßlen dies für die lynchschen Figuren.
David Lynch und seine Filme ist sicherlich (auch international) eines der profundesten analytischen Werke, das sich mit Lynch und seinen Filmen beschäftigt. Seinen wissenschaftlichen Wert beweist es nicht zuletzt in der methodologischen Exaktheit, mit der der Autor zu Werke geht. Dass seine Lynch-Rezeption nicht etwa aus dem hohlen Bauch heraus geschieht, zeigt schon der umfangreiche, 13-seitige bibliografische Anhang. Um so schmerzlicher vermisst man jedoch dort einen Namens- und Stichwortindex. Aber vielleicht liefert Seeßlen den ja nächstes Jahr nach :-)

Georg Seeßlen
 David Lynch und seine Filme
 4. erw. & überarb. Auflage 2000
 Schüren Verlag, Marburg
 240 S.; 34 DM (Taschenbuch)

[Stefan Höltgen]