1. Filmfest Jena

The best of ... Die Kriterien der Jury

Welche Beiträge schlussendlich als ”Sieger” aus dem 1. Jenaer Kurzfilmfestival hervorgehen sollten, entschied eine sechsköpfige Jury. Damit die Entscheidung transparenter wird, will ich im Folgenden die Jurymitglieder kurz vorstellen, dann die Kriterien der Bewertung erläutern und zum Schluss die Begründungen für die Gewinnbeiträge aufführen.
Die Jury wurde vom Filmfest Jena e.V. zusammengestellt. Dabei wurde Wert darauf gelegt, dass der Jury Personen angehören, die am Kulturbetrieb in Jena maßgeblichen Anteil haben. Natürlich sind das eine Menge Menschen. Und so mussten wir uns notgedrungen entscheiden, wen wir berufen. Da sich nach Anfrage viele erst gar nicht bei uns zurückgemeldet haben, war es dann doch nicht mehr so schwer, die richtigen Leute zu finden.
Annett Kretschmer ist die ”Kulturbeauftragte” des Studentenwerks Jena/Weimar und als solche entscheidet sie maßgeblich mit über Vernissagen und Ausschreibungen des Studentenwerks und nimmt Teil an der Kommission, die über Zuschüsse zu kulturellen Veranstaltungen in Jena mitentscheidet.
Ron Winkler ist Chefredakteur und Herausgeber der Literaturzeitschrift ”intendenzen” und studiert Germanistik und Geschichte. Er hat bereits an zahlreichen Literaturwettbewerben mit Erfolg teilgenommen und war auch schon einmal Gastautor in unserer Filmzeitschrift.
Helga Rek studiert Medizin und ist Mitglied des Vorstandes des Studentenrates der FSU. Auch Sie hat maßgeblichen Anteil an der Förderung kultureller Projekte in Jena. Vor ihrem Studium hat sie als Solistin bei zahlreichen Musicals mitgewirkt.
Heike Melcher-Heller ist die Geschäftsführerin des Film e. V. im Schillerhof. Sie war Meisterschülerin u. a. in der Keramikwerkstatt der Hochschule für Kunst und Design in Halle (Burg Giebichenstein). 1991 gründete sie den Film e.V. mit. Seither arbeitete sie an verschiedenen Filmprojekten (Spurensicherung-DEFA-Dokumentarfilme für Kinder, Filmfloß, Goldener Spatz Gera) mit. Als Jurorin arbeitete sie 1999 bei den internationalen Kurzfilmtagen in Oberhausen mit.
Falk Heunemann studiert Politikwissenschaft und Geschichte an der FSU und ist diesjähriger Chefredakteur der Studentenzeitschrift Akrützel. Darüber hinaus ist er seit 1996 Redakteur des Veranstaltungsmagazins “Der Enterich” und war von 1998 bis 1999 auch dessen Herausgeber.
Ich selbst studiere seit acht Semestern Germanistik, Philosophie, Soziologie und seit fünf Semestern Medienwissenschaft. Ich bereite eine Magisterarbeit über David Lynch vor und bin Herausgeber der frame25.

Die Kriterien

Entscheiden zu müssen, welche drei Beiträge von den 14 Bewerberfilmen ”die besten” sein sollten, war wirklich keine leichte Aufgabe. Das gilt es gerade deswegen zu betonen, weil die meisten Filme Debütarbeiten darstellten und schon allein der Mut, das eigene Erstlingswerk der Öffentlichkeit und der Kritik einer Jury vorzustellen, an sich belohnenswert ist.
So haben wir uns in der Jury vom ”Trampelpfad” anderer Kurzfilmfestbewertungskriterien fortbegeben und nicht allein Originalität und Idee der Beiträge bewertet, sondern versucht, weitere objektivierbare Kriterien zu finden. Auf die folgenden fünf haben wir uns in einer Diskussion einigen können:
1. Das Verhältnis der Länge des Beitrags zum Inhalt: Hierbei ging es vor allem darum, Beiträge herauszustellen, die das Gleichgewicht zwischen ihrer Gesamtlänge und ihrem Inhalt gefunden haben. Schafft es der Film, innerhalb seiner Länge seine Idee zu entfalten? Überstrapaziert er das zeitliche Maß oder hätte er länger sein können?
2. Das Verhältnis von Bildinhalt und Tonspur: Passen Ton und Bild so zusammen, dass sich beide Ebenen inhaltlich ergänzen? Wird ein gekonnter Widerspruch zwischen beiden Ebenen etabliert, so dass dadurch eine gewollte Provokation entsteht? Oder ist ein Missverhältnis nur auf einen Stilbruch zurückzuführen?
3. Schnittrhythmus: Ganz ähnlich wie in Punkt 2, jedoch mehr technisch, wird die Frage nach dem Gesamtrhythmus des Films gestellt. Oft entscheidet sich am Schnittpult, wie ”gut” ein Film wird. Besteht Konsonanz (gerade für Beiträge, die unter das Subgenre ”Musikclip” fallen, war uns diese Frage wichtig) zwischen Ton- und Bildrhythmus oder eine gewollte und dadurch interessante Dissonanz zwischen beiden Ebenen? Ist der Film am Ende vielleicht nur ”schlecht geschnitten”?
4. Kamera: Wie wird die Kamera eingesetzt? Sind aufwendige Aktionen zu sehen oder ist der Kameramann auf Nummer sicher gegangen und hat nur vom Stativ aus gefilmt? Ist die Kamera ”gewollt” wackelig oder wirkt ihr Einsatz eher wie bei einem Homevideo? Hat sich der Kameramann etwas einfallen lassen, um besondere Bilder oder Fahrten zu erstellen?
5. Idee und deren Umsetzung: Zu guter Letzt wurde noch die Originalität der Beiträge begutachtet. Gab es so einen Kurzfilm schon einmal? Gehört der Beitrag einem Genre an? Hat der Film eine Message und wie offenbart er die?
Nach diesen Kriterien haben wir also alle Beiträge gesichtet und diejenigen ausgewählt, die alle oder die meisten positiv erfüllen. Natürlich bleibt dabei immer noch ein großer Teil ”Subjektivismus” im Spiel. Um dessen Gewicht zu minimieren, wurden nach der Sichtung noch einmal alle Beiträge diskutiert. Am Ende der Diskussion konnten wir uns auf fünf Beiträge einigen und unter diesen dann die drei auswählen, die schließlich gewonnen haben. Hierbei entschieden jeweils die Filme mit den meisten Stimmen innerhalb der Jury.

Die Gewinner

Auf der Preisverleihung wollten wir nicht einfach die Gewinnbeiträge nennen, sondern auch begründen, warum wir uns für diese Beiträge entschieden haben. (Leider habe ich versäumt für den zweitplatzierten Beitrag die Gründe anzugeben - Lampenfieber? Ist nicht so schlimm, denn hier kommen sie noch einmal für alle Gewinnbeiträge):
Platz 3: Catch me
Nils Westerboers zweiter Filmbeitrag Catch me, bestach vor allem durch seine rasanten Kamerafahrten und die hohe Einsatzfreudigkeit des Autoren. Es hat einen witzigen und selbstironischen Inhalt. Catch me vereint Spontaneität mit Minimalismus zu einem Soundtrack, der die Bilder unterstreicht, ohne sie zu überlagern.
Platz 2: Bewegte Provokation
Bei der Debütarbeit Bewegte Provokation von Katrin Peschke handelt es sich um ein ästhetisch ausgesprochen durchdachtes Filmexperiment. Auffällig war vor allem die sparsame und pointiert (wie wirkungsvoll) eingesetzte Tonspur. Insgesamt handelt es sich bei “Bewegte Provokation” um eine provokative und gewollt humoresk inszenierte Bewegungsstudie.
Platz 1: Deeper
Der erste Preis ging an einen Film von Maik Wollrab. Deeper zeigt ein ausgezeichnetes Zusammenspiel von Musik und Bild mit einem interessanten Spannungsverhältnis zwischen klaren und verschwommenen Perspektiven. Die verwendeten ästhetischen Mittel des Films fügen sich perfekt in das Gesamtkonzept des Films.

Und sonst?

Dann entschieden wir uns noch, die Beiträge, die lange mit in der Diskussion um die Preisträgerschaft waren, lobend zu erwähnen. Dies waren Sophienhaus von Tom Tritschel, Ohne Titel. Skizze No. 17 von Matthias Werner und werden von Omed Said. Darüber hinaus wurde noch der Preisträger des Publikumspreises bekannt gegeben: RATS! von Thomas Ritter (mit 30 Stimmen); gefolgt von Sophienhaus und Catch me (mit jeweils 11 Stimmen) und Ohne Titel. Skizze No. 17 (mit 9 Stimmen).
Diejenigen, die sich gefragt haben, wie wir auf die Gewinnbeiträge gekommen sind, wissen nun also Bescheid. Zum Schluss will ich dann aber noch die alte (doch nichts desto trotz sehr wahre) Weisheit von mir geben, dass eigentlich alle Filmemacher Gewinner waren, denn sie haben die Möglichkeit bekommen, ihre Werke der Öffentlichkeit vorzustellen und finden vielleicht den Ansporn beim nächsten Filmfestival im Sommer 2001 wieder mitzumachen.

[Stefan Höltgen]