The Notorious Bettie Page

Pin-Up-Ikone Bettie Page ist vielleicht das beste Exempel dafür, wie unsere Bilderkultur simulakrische „Wesen“ mit hoher Eigendynamik hervorbringt, die mit der historisch abgebildeten Person nicht mehr zu verwechseln sind. Denn wer ist Bettie Page? In erster Linie ein Archiv von Fotos und kleinen, naiv mit sexuellen Devianzen spielenden dirty movies. Wer aber war die historische Bettie Page, die Person hinter dem Kunstwesen gleichen Namens? Wer sollte das schon wissen können! Mehr als bei allen anderen ikonisch überhöhten Stars und Traumfrauen – denen die Berlinale dieses Jahr immerhin die Retrospektive widmet – liegt hinter der kinky Oberfläche eine fast phantomartige Leere.

The Notorious Bettie Page ist nun das unvermeidliche Biopic über die Pin-Up Queen und immerhin zugute halten kann man ihm, dass er – im Gegensatz etwa zum recht betulichen Cash-Biopic Walk the Line, das jüngst ins Kino kam und von solchen Problemstellungen nichts wissen will – erst gar nicht versucht, eine Zugriffsmöglichkeit auf die historische Person zu suggerieren. So ist der Film reichlich stilisiert, bald fleckiges, bald kristallklares Schwarzweiß versucht die materialästhetisch doch recht dynamische Qualität der überlieferten Aufnahmen von Page zu simulieren, um sich auf diese Weise von vorneherein als Appendix zum Bildarchiv „Bettie Page“ zu erkennen zu geben; abwechselnd dazu gibt es unfassbar cremigfarbene Sequenzen – passend zum Page-Output, der exakt zwischen diesen beiden Fotomaterial-Polen verortet ist. Unklar bleibt hingegen, warum The Notorious Bettie Page sich regelmäßig an die Bildästhetik des Film Noir anschmiegt; mit dem hatte die Page nun weiß Gott nie etwas zu tun, auch filmhistorisch ist das mehr als unscharf. Es dämmert einem bei solchen Widersprüchen, dass die Wahl der gestalterischen Mittel vielleicht doch nicht so reflektiert vonstatten ging, wie sich das hier vielleicht liest.

Wir erfahren manches aus Bettie Pages Leben; einen Sinnzusammenhang konstruiert der Film hingegen nie. Strebsam in der Schule gewesen, im Debattierclub engagiert, vom Vater missbraucht, später dann von einer Gang vergewaltigt, trotzdem irgendwie im Oben- und bald auch Unten-Ohne-Biz gelandet, schließlich Sittenprozesse und irgendwann Born Again Christian geworden. Die Elemente stehen disparat nebeneinander, episodisch aneinandergereiht, nie entsteht der Eindruck psychischer Kontinuität. Naheliegend für einen typischen Genre-Vertreter wäre es gewesen, Missbrauch und Vergewaltigung irgendwie mit ihren späteren Arbeiten zu kontextualisieren – nichts dergleichen, Page erscheint, wie das später mal gesagt wird, ganz als „the born exhibitionist„. Die reale Person Bettie Page verschwindet auch hier hinter dem Film.

Man mag davon halten, was man will; als Drama funktioniert der Film deshalb nicht richtig, man könnte diese Haltung aber auch als reflektierte Begegnung der grundsätzlichen Problematik des Biopic-Genres, das seinen Gegenstand immer auch nach dramaturgischen Konventionen verformt, einordnen. Könnte man, nur ergibt sich das nicht recht zwingend aus dem Film selber; immer bleibt dabei die Ahnung, es zu gut zu meinen mit einem Film, der, so glaubt man schließlich doch, letzten Endes nur am ästhetischen Liebreiz und einer immerhin gelegentlich recht unterhaltsamen Hommage interessiert ist.

Weiterführende Links:

imdb ~ trailer

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