Der Nebel kommt immer wieder

Antonio Bay ist ein Fischerstädtchen an der kalifornischen Küste mit Kirche, Krämerladen und sogar einem eigenen Radiosender, der in einem alten Leuchtturm untergebracht ist. Doch wie so viele Kleinstädte im Horrorfilm wird auch die Idylle von Antonio Bay durch ein dunkles Geheimnis kontrastiert: Vor einhundert Jahren lockten sechs habgierige Strandpiraten durch ein falsches Leuchtfeuer ein ein mit Gold beladenes Schiff in die Klippen. Die Mannschaft ertrank und das Gold wurde ich der Kirche des noch jungen Ortes versteckt. Kurz vor der 100-Jahr-Feier passieren seltsame Dinge in Antonio Bay. Wie von Geisterhand bewegen sich Gegenstände und Möbel, Autos beginnen zu hupen, obwohl niemand darin sitzt und ein Fischkutter gerät in einen plötzlich aufziehenden Nebel und kehrt nicht mehr zurück in den Hafen. Als man das Schiff am nächsten Tag vor der Küste treibend findet, sind fast alle Seeleute davon spurlos verschwunden – nur eine Leiche, die aussieht, als hätte sie bereits Jahre lang unter Wasser gelegen gibt Rätsel auf. Doch diese Rätsel zu lösen bleibt keine Zeit. Denn der Nebel, der das Schiff verschlungen hatte, bewegt sich nun auf Antonio Bay zu. In ihm sind die Geister des vor hundert Jahren versenkten Schiffes und sie fordern ihr Gold zurück … und Rache.John Carpenters Film The Fog scheint auf den ersten Blick vielleicht der letzte große Versuch gewesen zu sein, den klassischen Horrorfilm zu reanimieren. Die Geistergeschichte, ihre Inszenierung, die Figuren und die Kameraperspektiven: Alles scheint dem Geisterfilm des klassischen Horrorfilms verpflichtet. Der Grusel bleibt dabei für jedermann goutierbar und die Schockmomente zehren, ganz anders als bei anderen um 1980 entstandenen Filmen, nicht von den Gewaltdarstellungen. Carpenter selbst hatte mit Halloween zwei Jahre zuvor wesentliches dazu beigetragen, dass das klassische Horrorkino den Muff des Antiquierten bekommen sollte. Er holte den Horror von den verlassenen Schlössern im Moor und ihren darin ruhelos umher ziehdenden Gespenstern in die amerikanischen Vorstädte und personifizierte ihn als den Wahnsinn, der aus jedem Nachbarn einen Mörder machen kann.

Doch The Fog ist bei all seinem „Klassizismus“ keineswegs antiquiert oder gar restaurativ. Vielmehr kommentiert er jene Schnittstelle zwischen den beiden Genre-Epochen. Das offenbart sich in zahlreichen Details. So bekommen wir den recht harten Kontrast der klassischen und modernen Ästhetiken bereits im Soundrack zu hören: Auf der einen Seite sind die Einspielungen, die der Radiosender Antonio Bays ausstrahlt und die wie aus einer vergangenen Epoche – zumindest jedoch nicht wie die Musik von 1980 klingen: langsamer Jazz und Big Band-Melodien. Musik mit weit ausladenden Melodiebögen und gleich bleibendem Rhythmus. Auf der anderen Seite ist John Carpenters elektronischer Soundtrack, der seit Halloween so typisch für seine Filme ist. Dunkle Flächen, die durch Filter und Lautstärkeänderungen zum pulsieren gebracht werden, abgewechselt von sehr eingängigen, fast schon naiven Themen, die immer und immer wiederholt werden. Originalität versus Serialiät, Weitläufigkeit und Enge, untermalen und verdichten – diese Erzählprinzipien finden sich bereits auf der Tonebene des Films.

Doch auch die Erzählung selbst, die von den in ihr entfalteten Motiven aus gesehen eher dem klassischen Horrorfilm verpflichtet zu sein scheint, ist auf den zweiten Blick ambivalenter: Die von Carpenter nach der ersten Probesichtung durch die Produzenten eingefügten Szenen sollen den Rhythmus der Geschichte erhöhen und durch ihre Explizitheit bestechen. Die zuvor nur schemenhaften Geister gewinnen mehr an Kontur und werden scharf umrissen als „Zombies“ inszeniert und erzählt (allein die ebenfalls nachträglich eingefügte Leichenschauhaus-Szene macht dies überdeutlich). Gezeigt wird, wie die Waffen der untoten Seeleute aufblitzen und in ihre Opfer eindringen – jedoch ohne Splatter-Effekte, die einen zu harten Kontrast dargestellt hätten.

Der Plot selbst – die Rachegeschichte der Geister, die die verfluchte Stadt nach einhundert Jahre heimsuchen – könnte klischeehafter kaum sein. Doch auch hier ist Fallhöhe zu gewinnen das Prinzip, denn die Klischees werden zum Ende hin ebenfalls gebrochen: Nachdem Pater Malone erst einmal die „Arithmetik des Bösen“ durchschaut hat und damit eine Lösung finden konnte (die Geister wollen einerseits das geraubte Gold zurück, andererseits wollen sie für die sechs umgekommenen Seeleute sechs Opfer aus Antonio Bay), scheint der Plot wieder in der heilen Welt angekommen zu sein. Doch noch stimmen nicht beide Seiten der Gleichung, denn das sechste Opfer – eben Pater Malone selbst, dessen Großvater zu den Strandpiraten gehörte – lebt noch. Und so kehrt der Nebel mit seinen Untoten, nachdem doch schon alles wieder „gut geworden“ ist noch einmal zurück nach Antonio Bay und zu Pater Malone … was mit diesem geschieht zeigt The Fog allerdings nicht, sondern endet auf eine merkwürdige ambivalente Art „offen“ … eben, wie ein typisch moderner Horrorfilm.

The Fog – Nebel des Grauens
(The Fog, USA 1980)
Regie & Musik: John Carpenter
Buch: John Carpenter und Debra Hill; Kamera: Dean Cundey: Schnitt: Tommy Lee Wallace & Charles Bornstein
Darst.: Adrienne Barbeua, Jamie Lee Curtis, Janet Leight, Hal Holbrook u. a.
Verleih: Kinowelt; Länge: 86 Minuten


Die DVD von Kinowelt

Das Doppel-DVD-Set von Kinowelt kommt vom Äußeren zunächst etwas lieblos daher: Das Cover in Grüngrau gehalten wirkt auf den ersten Blick etwas „billig“ und der Rote Fleck „Extended Version „DVDs“ auf Distanz wie das vielgefürchtete „Neue Version“-Schildchen auf anderen Veröffentlichungen.

Ein Blick in den Film zeigt, dass von „Extended Version“ nur in Hinblick auf die Edition, nicht aber auf den Film gesprochen werden kann. Auch dies verwirrt zunächst etwas, weil es sich scheinbar an der „Director’s Cut“-Manie zu beteiligen versucht. Das „Extended“ bezieht sich auf die zweite DVD, die neben Outtakes, einem etwas überflüssigen Vergleich „Storyboard – Filmszenen“ und den üblichen Galerien und Trailern zum Film zwei Dokumentationen enthält. Eine der beiden ist von 1980 und etwa sieben Minuten lang, die andere ist von 2002 und etwas länger als eine halbe Stunde. Beide präsentieren Interviews mit den am Film beteiligten Schauspielern, dem Regisseur Carpenter, der Co-Autorin Hill und den Produzenten. Ein interessantes Bonbon.

Die DVDs sind vom Bild und Ton her exzellent aufbereitet und zeigen keinerlei Makel. Neben insgesamt drei Sychronisationen (und dem amerikanischen Originalton) gibt es einen Audiokommentar von Carpenter und Hill. Beide DVDs sind vollständig (optional) auf Deutsch untertitelt.

Zusammenfassung der DVD-Aufmachung:

  • Bild: 1:2,35 (16:9 anamorph), PAL, Code 2
  • Ton: Deutsch & Englisch (DD 5.1), Italienisch & Spanisch (Mono DD)
  • Untertitel: Englisch, Deutsch, Italienisch, Spanisch, Niederländisch, Dänisch, Schwedisch,
  • Norwegisch, Finnisch
  • Extras:
    • Original-Dokumentation über die Entstehung des Films (1980)
    • Dokumentation „Tales Fromthe Mist“ (2002)
    • Storyboard-Vergleich
    • Outtakes
    • Audiokommentar von John Carpenter und Debra Hill
    • Fotogalerie
    • Trailer
  • Verleih: Kinowelt
  • FSK: 16
  • Preis: 14,99 Euro

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