Beilagenteller

Vergleiche aus der Welt der kulinarischen Genüsse sind immer beliebt. So lässt sich zum Beispiel mit einiger Berechtigung sagen: Ein Genre setzt sich zusammen wie eine Speisekarte. Es gibt die Appetizer, die erst so richtig Lust darauf machen, tiefer in die Materie einzusteigen, die Hauptgänge, die nicht nur in jeder Hinsicht satt machen, sondern mit gewagten Geschmackskombinationen herausfordern und die Sinne berauschen, und die Desserts, die der vorher geschaffenen Grundlage das Sahnehäubchen aufsetzen. Natürlich ist nicht jedes Gericht würdig, in einem Sternerestaurant serviert zu werden, aber manchmal verlangt der Appetit ja auch eher nach deftiger Hausmannskost, einfach und üppig. Bei den ersten beiden Filmen aus der neuen Reihe von e – m – s, „Der phantastische Film“, handelt es sich um genau solche: Zwei Titel, die am besten unter dem Begriff „Sättigungsbeilage“ einzusortieren sind.

hexe.jpgIn „Die Hexe des Grafen Dracula“ folgt der Antiquitätenhändler Bob Manning, ein gutgelaunter 68er, der Spur seines verschollenen Bruders Peter zum Anwesen des mysteriösen Morley. Der streitet zwar ab, mit dem Bruder Kontakt gehabt zu haben, bietet Manning aber trotzdem großzügig Hilfe und Unterkunft an. Nachts peinigen Bob aber merkwürdige Träume, in denen eine Hexe vorkommt und ihn während eines Rituals zur Unterschrift eines Vertrages zwingt. Morley und sein Freund, der Okkultismus-Experte Professor Marsh, klären Manning auf: Bei der Hexe handelt es sich um Lavinia, eine Vorfahrin Morleys, die vor einigen hundert Jahren der Hexerei bezichtigt und verbrannt wurde. Einer der Ankläger war Jonathan Manning, seines Zeichens wiederum ein Vorfahre des Antiquitätenhändlers …

damon.jpg„Der Dämon mit den blutigen Händen“ beginnt in bester Grand-Guignol-Tradition mit der blutigen Pfählung eines Vampirs durch einen Kapuzen- und Vorschlaghammer-bewehrten Henker vor einem dunkel dräuenden (und unverkennbar gemalten) Himmel, bevor die Credits zu schriller Horrormusik durchs Bild laufen. Der britische Film aus dem Jahr 1958 erzählt im Folgenden die Geschichte des Arztes John Pierre, der aufgrund eines tödlich verlaufenen Bluttransfusions-Experiments zu lebenslanger Haft verurteilt wird. Der Chef seines finsteren Gefängnisses, der von den anderen Häftlingen gefürchtete Callistratus, beruft ihn bald als Gehilfen in sein Labor: Auch Callistratus versucht, menschliches Blut von einem in den anderen Körper zu transportieren. Allerdings scheint er nicht nur rein wissenschaftliches Interesse am Gelingen seiner Experimente zu haben …

Beide Filme bemühen sich sichtlich, es dem großen Vorbild Hammer gleichzutun, scheitern aber letztlich daran. „Der Dämon mit den blutigen Händen“ von Henry Cass (nach einem Drehbuch von Hammer-Autor Jimmy Sangster) watet tief in saftigen Bildern des Gothic Horrors, garniert seine Settings mit Ratten, Bluthunden, entstellten Buckelmännern und Folterwerkzeugen und degradiert die Filme der auch schon nicht gerade zimperlichen Hammer Studios zu zahmem Kopfkino. Demgegenüber steht aber eine hölzerne Inszenierung und eine nur mäßig effektive Dramaturgie: Der Film verschenkt viel von seinem Potenzial, weil er im Mittelteil zu redundant wird, anstatt seine Handlung konsequent voranzutreiben. Ein ähnliches „Vergehen“ könnte man „Die Hexe des Grafen Dracula“ vorwerfen: Dem durchaus gelungenen Aufbau, der durch die Anwesenheit der Horror-Stars Christopher Lee, Boris Karloff, Michael Gough und Barbara Steele noch forciert wird, wird die unbefriedigende, ja unspektakuläre Auflösung leider niemals gerecht. Dass der Film auf H. P. Lovecrafts Geschichte „Träume im Hexenhaus“ beruhen soll, merkt man allerhöchstens an Details: den Traumbildern des satanischen Rituals, der Plotkonstruktion – die Konfrontation eines Mannes mit der Vergangenheit seiner Familie – oder den Farben (Schleimgrün und Lila), in die die Credits getaucht sind. Den unfassbaren Schrecken, den Lovecraft mit einer das Unbeschreibliche festzuhaltenden Sprache auf Papier zu bringen sucht, findet man in Sewells Film nicht.

Was beide Filme dennoch interessant macht, ist die Tatsache, dass beide ihre fantastische Prämisse nur als Täuschungsmanöver benutzen: Letzten Endes sind sowohl in „Der Dämon mit den blutigen Händen“ als auch in „Die Hexe des Grafen Dracula“ rein irdische Kräfte am Wirken, keine übersinnlichen. Das mag nicht ausreichen, um für beide Filme eine echte Empfehlung auszusprechen, der Genrefan wird mit ihnen aber durchaus den kleinen Hunger zwischendurch stillen können.

Die Hexe des Grafen Dracula
(Curse of the Crimson Altar, Großbritannien 1968)
Regie: Vernon Sewell, Drehbuch: Mervyn Haisman, Gerry Levin, Henry Lincoln, Kamera: John Coquillon, Musik: Peter Knight, Schnitt: Howard Lanning
Darsteller: Christopher Lee, Boris Karloff, Mark Eden, Barbara Steele, Michael Gough, Virginia Wetherell
Länge: 84 Minuten
Verleih: e – m – s

Der Dämon mit den blutigen Händen
(Blood of the Vampire, Großbritannien 1958)
Regie: Herny Cass, Drehbuch: Jimmy Sangster, Kamera: Monty Berman, Musik: Stanley Black, Schnitt: Douglas Myers
Darsteller: Donald Wolfit, Vincent Ball, Barbara Shelley, Victor Maddem, William Devlin
Länge: 87 Minuten
Verleih: e – m – s

Zu den DVDs von e – m – s

Vol. 1 und Vol. 2 der neuen Reihe „Der phantastische Film“ kommen jeweils im Pappschuber. Was Ausstattung und Extras angeht, so hat „Die Hexe des Grafen Dracula“ aufgrund seines jüngeren Entstehungsdatums die Nase etwas vorn: Sind Bild und Ton bei „Der Dämon mit den blutigen Händen“ zwar absolut akzeptabel, aber dennoch etwas verwaschen, gibt es bei ersterem keinen Grund zur Klage. Zusätzlich zu den obligatorischen Bildergalerien und Texttafeln gibt es außerdem noch zwei verschiedene Super-8-Fassungen des Films, Trailer, Radio-Spots und einen alternativen Anfang. Für Sammler und Horrorfreunde sind beide Scheiben sicherlich ein Pflichtkauf.

Zur Ausstattung der DVDs:

Die Hexe des Grafen Dracula
Bild: 1,85:1
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 1.0 Mono)
Extras: 2 Super-8-Fassungen, alternativer Anfang, Bildergalerien, Radiospots, Trailer, Booklet
Länge: ca. 84 Minuten
Freigabe: ab 16
Preis: 12,99 Euro

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Der Dämon mit den blutigen Händen
Bild: 1,85:1
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 1.0 Mono)
Extras: Bildergalerie, Texttafeln, Booklet
Länge: ca. 87 Minuten
Freigabe: ab 16
Preis: 12,99 Euro

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