Best-Of der Ideenabstinenz

„Was mich an diesem Projekt besonders interessierte, waren die 50.000 Dollar Gage“, sagt Ken Russell im Making Of, und angesichts seines Beitrags zu diesem insgesamt vier Epsioden umfassenden Anthologiefilm, dessen Rahmenhandlung (die Teilnehmer einer Filmparkbesichtigung geraten in die Falle eines Geisterhauses und werden im weiteren Verlauf vom Parkführer dazu animiert, von ihren schlimmsten Erlebnissen zu berichten) recht ungehalten die Erzählungen miteinander verbindet, mag man ihn auch gerne beim Wort nehmen. Neben Russell wurden vier weitere Regisseure für die Gestaltung einer Episode beauftragt, darunter durchaus renommierte Genre-Namen wie Joe Dante und Sean S. Cunningham.

Dass keiner von ihnen ein befriedigendes Ergebnis präsentiert, mag vielleicht auch daran liegen, dass sich einzig Dennis Bartok für das Drehbuch verantwortlich zeigt. Dessen Geschichten wollen vor allem von allem etwas zu viel: Die Rahmenhandlung verbeugt sich vor den altgediegenen Vertretern der Hammer- und Amicus-Schmiede, begeistert aber vornehmlich durch eine karikatureske Figurenzeichnung. Eine relative Kongruenz von Erzählzeit und erzählter Zeit voraussetztend, schließlich werden alle Geschichten verbal vorgetragen, mag die Bereitschaft der semi-erfolgreichen Schauspielerin zunächst nur verwundern, als erste so vorschnell von ihrer missglückten Brustimplantation zu berichten, deren Resultat ein hunriges Paar fleischgewordener Vampirbrüste sein wird. Russell suhlt sich hier lieblos in dem, was gemeinhin als Trash identifiziert werden kann: Overacting an allen Enden, grelle Farben, dümmliche Dialoge und natürlich eine absurde Story, die die bisher rationalistisch geerdete Zuhörerschaft jedoch nicht davon abhält, nach 25 Minuten bereits die ersten gruppeninternen Konflikte zu provozieren. Vor dem Eklat wollen aber noch drei weitere Geschichten erzählt werden:

Cunningham führt ein Pärchen in die Kulisse eines japanischen Friedhofs, wo der Mann nun gezwungen ist, seine Frau aus den Tiefen der Hölle zu retten und so die monoton geratene Liebe der beiden wieder aufzufrischen. In Hellmanns Episode zerbricht die Freundschaft zweier Filmregisseure, von denen einer unschwer als Stanley Kubrick gezeichnet ist, an der gemeinsamen, obsessiven Liebe zu einer Frau, die sich später als „Liebesvampir“ entpuppen wird und John Graetas Beitrag nun versucht durch gelegentlichen Rückgriff auf die Mittel des Experimentalfilms und des Videoclips der Story um ein Mädchen, das als Ungeborenes ihren Platz im Mutterleib mit einem Bandwurm teilen musste und nach ihrer Geburt diesen fortwährend als bösen Zwilling bei sich weiß, etwas ästhetischen Mehrwert anzugedeihen. Schließlich muss die Gruppe im obligatorischen Schlussgag erfahren, dass niemand von ihnen die eigene Geschichte überlebt hat, was die zuvor entstandene Sorge nach gut 90 Minuten Gefangenschaft nicht gerade mindert, aber doch noch das Stilmittel der Tales from the Crypt-Reihe einbindet, um den disparaten Stileklektizismus der vorangegangenen Episoden zu komplettieren. Und das gilt nicht bloß für die Anordnung der einzelnen Episoden: Plötzlich wandelt sich die Hölle in eine mangaeske Zeichentrickwelt, obgleich sich das Interesse des Pärchens eigentlich auf japanische Malerei konzentrierte; warum ausgerechnet Stanley Kubrick eine Ménage-à-trois antreten muss, bleibt unersichtlich, außer vielleicht, dass seit SCREAM eine verstärkte Selbstreferenzialität auch im Horrorfilm zu beobachten ist; dass sich das Haunted House-Motiv der Rahmenhandlung in der Falle mit den expressionistischen Elementen eines Dr.Caligari vermengt, eingebettet in den Gothic-Stil der Hammer-Filme, wirft ein rechtes Licht auf die Kohärenz der narrativischen und ästhetischen Motivationen: Es gibt sie einfach nicht, aber weil es Motive in Horrorfilmen nunmal gibt, gibt es sie auch hier, und wirft man die ein wenig zusammen, sollte doch wenigstens ein kurzweiliges Augenzwinkern möglich sein. Ganz ehrlich: Ein Trailer-Zusammenschnitt hätte diesen Effekt schneller erreicht.

Trapped Ashes
(USA/Kanada/Japan 2006)
Regie: Joe Dante, Ken Russell, Sean S. Cunningham, Monte Hellman, John Gaeta
Darsteller: John Saxon, Ameilia Cooke, Lara Harris, Henry Gibson u.a.
Länge: 100 Min.
Verleih: Koch Media

Zur DVD von Koch Media:

Neben den editorischen Standards (korrektes Bildformat, englische Tonspur) bildet das gut 50-minütige Making Of das Kernstück dieser Dvd-Premiere, in dem die Beteiligten vornehmlich ihre gemeinsame Arbeit gegenseitig wertschätzen (einzige Ausnahme: Ken Russell, der dies bereits in Eigenregie erledigt).

Bildformat: 1,85:1 (anamorph)
Ton/Sprache: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 5.1)
Extras: Trailer, Making Of , Trailershow
FSK: keine Jugendfreigabe
Veröffentlichungsdatum: 25.01.2008
Preis: 19,99 Euro
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Sven Jachmann

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