„… and i’ll get back to you.“

Die Suche nach Identität ist schwierig und sie wird noch erschwert, wenn das gesellschaftliche Umfeld keinen archimedischen Punkt bietet, an dem sich das Individuum bei seiner Suche und Entwicklung orientieren kann. Dass der Krieg und der Terror, wie er seit Jahrzehnten in Israel allgegenwärtig und derzeit wieder besonders heftig ist, gerade für die junge Generation eine ständige physische und psychische Bedrohung darstellt, scheit evident. Auf welche Weise ein solcher Prozess der Identitätssuche – aus radikal subjektiver Sicht – ins Leere laufen und sich zur Katastrophe entwickeln kann, zeigt Danny Lerners Debütspielfilm „Frozen Days".
frozendays.jpgEr erzählt die Geschichte einer jungen Frau in Tel Aviv, die ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Drogen verdient, keinen festen Wohnsitz hat und nur okasionelle Beziehungen zu anderen Menschen pflegt. Dazu gehört auch Alex, den sie in einem Computerchat kennen lernt und mit dem sie sich schließlich zu einem Blind Date verabredet. Als Alex ihr zu viel Intimität aufdrängt, läuft sie davon – zitiert ihn jedoch später in einen Club. Auf der Suche nacheinander geraten beide in einen palästinensischen Selbstmordanschlag. Während sie die Bombenexplosion unbeschadet überlebt, kommt Alex mit schweren Verbrennungen ins Krankenhaus. Sie besucht ihn regelmäßig, kümmert sich um seine Wohnung, beginnt aber auch, nach und nach sein Leben zu übernehmen: zuerst die Kleidung, dann seinen Job. Schließlich gibt sie sich selbst als Alex aus. Wer sie selbst ist, wird ihr immer unklarer – und wer Alex ist, wird von ihrer Umwelt mehr und mehr bezweifelt.

„Frozen Days" rekrutiert seine wichtigsten Erzählmotive aus Roman Polanskis „Der Mieter“ – ebenfalls einer Geschichte um Identitätssuche und -verwirrung. Danny Lerners Film stellt somit nur teilweise eine originelle Leistung dar – von der etliche Aspekte jedoch auch unbefriedigenden, teilweise sogar zweifelhaften Charakter besitzen. Das Schwarzweiß-Bild, das sich im wesentlichen an der Optik des Film noir ausrichtet, wird nur an einer Stelle unterbrochen, als das Mädchen in jenem Club selbst von den Drogen nimmt, die sie ansonsten für ihre Kunden bereithält. Der „Farbrausch“ ist erst wieder vorüber, als die Bombe explodiert. Lerner inszeniert auf diese Weise die Konsumtion von Rauschgift als eine Art erfolgreicher Flucht aus der Anonymität und Konturenlosigkeit des Alltags – dieser Eindruck lässt sich, gerade weil dies der einzige derartige Wechsel in der Optik ist, kaum vermeiden. Dass er die politische Situation Israels dazu instrumentalisiert, den Individuationsprozess seiner jungen Protagonistin in Gang zu setzen, ließe sich, vor dem Hintergrund des Ergebnisses/Filmendes, ebenso kritisieren, stellt aber dennoch eine originelle These in den Raum. Dass nämlich die Selbstfindung angesichts der Umstände, unter denen sie stattfindet, allenfalls angestrebt und behauptet, nie aber erreicht werden kann. Letztlich fällt die Protagonistin immer wieder auf sich selbst zurück – gedrängt durch das eigene und das Misstrauen der Anderen. Ob es für diese Aussage eines derart verklausulierten Plots und der Übernahme einer Idee von Polanski bedurft hat, kann allerdings hinterfragt werden.

Frozen Days
(Yamim Kfuim, Israel 2005)
Regie & Buch: Danny Lerner, Musik: Tomer Ran, Kamera: Ram Shweky, Schnitt: Tal Keller
Darsteller: Anat Klausner, Sandra Sade, Uli Sternberg, Pini Tavger, Maor Cohen
Länge: 90 Minuten
Verleih: Bleiberg Ent.

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