»What happened to your eye?«

In diesem Beitrag möchte ich Richard Kellys Film „Donnie Darko“ vor dem Hintergrund der Beschäftigung mit Texten Edward Branigans und Jacques Aumonts in seinen wichtigsten Zügen betrachten. Vordringlich wird der Blick auf die Realisierung des Point of View fallen. Dazu seien zunächst bei Branigan die strukturellen Elemente zu entlehnen und auf die Narration auszuweiten. Ihr Hauptmerkmal, der Dualismus vor dem Hintergrund eines Subjekt-Objekt-Verständnisses, wird sich in der Arbeit Aumonts wieder finden. Zuletzt soll dann am Beispiel „Donnie Darko“ Darstellung und Narration verständlich gemacht und nach einer Möglichkeit für den Umgang mit dem Dualismus Ausschau gehalten werden

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Point of View nach Edward Branigan

Nach Edward Branigan besteht die Point-of-View-Struktur aus sechs Elementen. Die ersten beiden richten einen Punkt im Raum ein und stellen den „Blick von dort“, der ein Objekt impliziert, her. Im vierten Element nimmt die Kamera den etablierten Punkt ein und zeigt (fünftens) das Objekt. Diese beiden Einstellungen werden einerseits durch einen „zeitliche Kontinuität oder Gleichzeitigkeit“ erstellenden „Übergang“ verbunden, der bei Branigan als drittes Element auftritt. Diesem internen Element steht ein externes, das sechste Element, die Figur, gegenüber, welche den bislang als bloßen Blickpunkt eingeführten Point of View an eine Figur bindet und ihn dadurch begründet. Damit verfügt Branigans Vorstellung der Struktur über zwei zweipaarige Elementgruppen, die jeweils und einander gegenüber komplementär sind. Es gibt zwei Einstellungen: Punkt/Blick und Punkt/Objekt. Diese sind zeitlich verbunden und im narrativen Zusammenhang eingebettet.

Entsprechend dieser Zusammenfassung entwickelt Branigan seine Analyse der Rahmung des Point of View. Die wesentliche strukturelle Auffälligkeit besteht hier aus der durch eine Gerade verbundenen Verbindung zwischen Auge und Objekt und deren gradueller Abweichung. Diese platziert nicht nur Auge und Objekt zueinander, sondern kann auch vollkommen unterlaufen werden. Demzufolge liegt das Hauptinteresse Branigans im Folgenden in den Grundstrukturen des Verhältnisses, der eingeführten Element, unter Berücksichtigung der Rahmung.

1Branigan unterscheidet hier zwischen einem prospektiven und einem respektiven Point of View. Der prospektive Point of View besteht aus der oben genannten Reihenfolge, die die Einstellung Punkt/Blick (im Folgenden nach Branigan als „A“ bezeichnet) vor der Einstellung Punkt/Objekt („B“) annimmt. Darüber hinaus nennt Branigan die Umklammerung der Einstellung B durch die Einstellung A einen geschlossenen, die Dehnung der Verbindung bzw. zeitweilige Vorenthaltung der Einstellung B einen verzögerten und das völlige Vorenthalten der Einstellung B einen offenen Point of View. Durch die Einführung mehrer Figuren, die dasselbe Objekt erblicken, definiert er den multiplen Point of View, durch den zweiten Beobachter einen eingebetteten Point of View und in der Idee des Dialogs den reziproken Point of View. Außerdem findet Branigan Gefallen an der Komplexität, die ein Spiegel einer Point-of-View-Struktur verleiht.

Fokalisierung

Neben der bildästhetischen Point-of-View-Theorie existiert bei Brainigan auch eine narratologische Theorie der Fokalisierung. In dieser wird die erwähnte Komplementarität der Strukturen durch die narrative Ebene ergänzt. Ein zentrales Element ist die Unterscheidung, die Branigan hinsichtlich Erzähler und Fokalisator vornimmt. Der Fokalisator erhält seine Rechtfertigung an dieser Stelle dahingehend, dass der Point of View gerade ein subjektives Erleben aus der Sicht einer Figur begünstigt. Im günstigsten Fall berühren sich im Point of View das Erleben der Figur mit dem des Zuschauers. Wiederum bemüht Branigan die Differenzierung von intern und extern. Ersteres meint ein Zusammenfallen von erzählter Welt und Darstellung, die in der Figur ihre Einheit bekämen. Bei der externen Fokalisierung hingegen bleibe die Figur äußerlich.

Branigan strukturelle Überlegungen zum Point of View korrespondieren mit den narrativen und sollten gerade hinsichtlich eines formal und erzähltechnisch verspielten Films wie Richard Kellys „Donnie Darko“ hilfreich sein. Zuvor soll jedoch eine alternative Theorie vorgestellt werden, die eine weitere erzähltheoretische Facette des Point of View berücksichtigt.

Jacques Aumonts Theorie des Point of View

Aumont nämlich betont den „Dualismus von Betrachter und Betrachtetem“ als bemerkenswerter Effekt des Point of View, den er auch im Hinblick auf andere Medien (Malerei, Fotografie, Literatur) historisch begreiflich zu machen versucht. Dabei geht er von einer Struktur aus, die derjenigen Branigans ähnelt. Er benennt zwei Punkte, die den Einstellungen Branigans entsprechen, sowie die narrative Umgebung. Zusätzlich führt er einen „prädikativen“ Point of View ein, der die urteilende Haltung des Erzählers bedeutet. Offensichtlich ist der prädikative Point of View Aumonts Versuch den aufgezeigten Dualismus handhabbar zu machen, indem er das Urteil des Erzählers destillieren möchte. Er scheint die Hoffnung zu hegen, die Symmetrie, also die Gleichberechtigung beider Seiten, kommensurabel zu machen und in eine Aussage zu überführen. Narration und Darstellung sollen in einem Sinn zusammengeführt werden.

2Grundsätzlich funktioniert für Aumont die Entwicklung des Point of View vor einem zeitlichen Horizont. Also greift er auf historische Varietäten des prädikativen Point of View zurück. Darunter fallen die Vorstellung einer untrennbaren Verbindung aus Idee und Darstellung, die er im Caligarismus zu entdecken meint. Der Impressionismus betone hingegen dialektisch den Dualismus. Die Schriften Kuleschows hingegen künden Aumont von der Urteilsenthaltung und der Beschränkung auf das bloße Zeigen. Von Eisenstein entlehnt er ein Verständnis der Bildlichkeit unter der Bedingung einer wahrscheinlichen Wirklichkeit und einer Verallgemeinerung, die er gemeinsam in die Nähe der Wahrheit rückt. Aumonts Arbeit läuft schließlich darauf hinaus, dass er die strukturelle sowie sinnstiftende Eigenschaft des Filmbildes für einverständig erklärt, mit der Idee des Sinns die Verbindung mit der Narration anknüpft und „Sehen“ und „Verstehen“ narrativ sinnvoll aufgehen lassen möchte. Zugleich bemerkt er, dass dieser Sinn auch, der Moral widersprechend, dem Bereich der Perversion nahe kommen kann.

Die Struktur des Point of View, die Branigan aufgezeigt hat, und ihre Bedeutung hinsichtlich der Narration werden von Aumont auf ihre dualistische Problematik überprüft. Er geht dabei der Frage nach, wie symmetrische Strukturen Sinn erzeugen können. Seine Hauptargument für den Sinn ist dabei, die subjektive Qualität des Point of View und die dadurch verbundene Möglichkeit der Identifikation des Zuschauers mit der dargestellten und erzählten Figur. Die Überlegungen zum Point of View möchte ich nun am Beispiel des Films „Donnie Darko“ verdeutlichen.

Point of View in „Donnie Darko“

Bereits der Titel verrät, dass sich der folgende Film zwar um seinen Protagonisten anordnen soll, die offensichtliche Künstlichkeit macht aber zugleich das Scheitern jeder Approximation ahnen. Entsprechend entzieht sich der Protagonist, eindeutig als Superheld qualifiziert oder disqualifiziert zu werden, und wird dadurch für Gretchen reizvoll.

Die Kamera findet den Protagonisten, Donnie Darko, zu Beginn des Films auf einer Straße im Erwachen begriffen. Interessanterweise wird bereits vor der Einblendung des Titels die binäre Opposition als Strukturprinzip des gesamten Films eingeführt. Zwar entdeckt die Kamera Donnie, nähert sich ihm und beschreibt ihn um 90°, darauf wird Donnie jedoch durch einen Schnitt auf die Landschaft aus dem Bild entlassen. Sein Passivität der Kamera gegenüber legt er schließlich ab, indem er von unten ins Bild tritt, das Bild fixiert, sich im Bild selbst um 90° dreht und nach links aus dem Bild verschwindet. Neben dieser Ambivalenz der Darstellung, die entweder die Kamera oder Donnie sich bewegen lässt, tritt gleichsam die narrative Auffälligkeit des Erwachens auf einer Straße. Dadurch werden der Schlaf und gefährliche Entfremdung funktionaler Strukturen (Straße als Schlafplatz) als wiederkehrende Motive angelegt, die überdies einer gewissen Komik nicht entbehren.

Figurenkonstellationen

Der erste Teil des Films rahmt Donnie Darko innerhalb des ersten Tages, der im Film der erste Oktober ist, ein, er zeigt also nur das beschriebene Erwachen, das Antreffen zu Hause, das Abendessen und das Ende des Tages. Bemerkenswert für das Verständnis des Point of View ist, dass der Zuschauer Donnie zwar nach Hause begleitet, er aber die wesentlichen Ansichten, d.h. die erste Vorstellung seiner Familie eigenständig erlebt. Dazu wird Donnies Perspektive wiederholt übergangen, was insofern legitim ist, als Donnie seine Familie kennt, der Zuschauer jedoch nicht. Im Verlassen seiner spezifischen Sicht wird ein Vorurteil über die Familie möglich. Beim gemeinsamen Mahl treffen erstmals alle zusammen und es kommt zum Streit. Das wiederkehrende Streitmotiv steht immer im Rahmen des Entscheidungsproblems, z.B. der Präsidentschaftswahl. Außerdem erführt der Zuschauer von der psychiatrischen Behandlung Donnies und seinem Unmut darüber.

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Das Tischgespräch funktioniert aus dem mütterlichen Point of View, was sich in der letzten Sequenz des Films im Gruß einer eigentlich Unbekannten, Gretchens, wiederum findet. Dort brechen beide mit den zeitlichen Diskontinuitäten, die der Film vermittelt. Am Familientisch wird der Vater der Mutter entgegengesetzt, die drei Kinder sieht der Zuschauer aus ihrer Sicht. Auffälligerweise greift sie zwar in den Streit ein, einerseits aber verschiebt sich auf dem Höhepunkt des Streits der Blickpunkt in die Tischmitte, kündigt damit die Souveränität der Mutter auf, andererseits kommt ihr Blick als Reaktion im Laufe der zunehmenden Dramatisierung zeitlich immer nach der gefallenen Äußerung. Das führt dazu, dass sie, während die nächste Aussage fällt, den Vorgänger einer Aussage erblickt. Prospektive und retrospektive Strukturen werden hier schwer unterscheidbar.

Donnie und seine Schwester werden damit dreifach gegenübergestellt, durch die Handlung des Streits, durch die Blickstruktur und im narrativen Zusammenhang, der Donnie als Problemkind, seine Schwester hingegen als zukünftige Harvardstudentin einführt. Gleichzeitig fungiert die jüngere Schwester mit ihrer älteren als Rahmen um Donnie, der seinem Alter nach zwischen beiden anzusiedeln ist. Außerdem ist sie schulisch erfolgreich und eingebunden, was die Musikvideoästhetik einer späteren Einstellung, die die jüngere Schwester harmonisch zur Musik darstellt, erkennen lässt. Nicht zuletzt korrespondiert der Versuch des Vaters die jüngere Schwester vom Streit abzulenken mit der Doppelbödigkeit des ganzen Films, der zwar überproportional Fragen und Auseinadersetzungen aufwirft, sie aber im selben Moment fliehen möchte. In der Auseinandersetzung mit seiner Lehrerin Mrs. Farmer scheint es, als trüge der Streit sich selbst, ohne Donnies Zutun. Er selbst nämlich spricht keine Beleidigung aus, weil ihm die Beleidigte mit der Beleidigung über sie immer zuvorkommt. Wiederum werden die klaren Subjekt-Objekt-Verhältnisse aufgelöst.

Zeitreisen

Der Dualismus Aumonts findet sich also sehr scharf in diesem Film wieder, versucht aber komplementär dazu, ohne tautologisch zu sein, den Film narrativ sinnvoll zu vereinen.

Der entscheidende narrative Zug des Films liegt in der Idee der Zeitreise. Damit wird nicht allein die Kausalität, sondern zunächst die Zeit als solche, die eine ausgezeichnete Richtung hat und also asymmetrisch ist, obsolet. Der erste Tag des Films scheint in der Überbetonung des Rahmens vollständig. Die folgenden achtundzwanzig Tage werden vor Ende des Films vollständig zurückgenommen und das Einschlafen Donnies gerade durch seinen anschließenden Tod steigernd aufgeladen.

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Ich möchte hier betonen, dass das angekündigte Ende der Welt mit dem Tod Donnies, als einzelnem Subjekt, zusammenfällt und sich der Film in der Spannung zwischen beiden entwickelt, bevor dieselbe rückläufig überwunden wird. Die ähnlich den späteren Pfeilen, die zukünftige Ortsverlagerung einer Person vorwegnehmen, kann einzig Donnie den Hasen Frank sehen und hören. Frank bleibt also bis zu seinem Realen Erscheinen Objekt interner Fokalisierung, was umso wichtiger ist, als er Donnie Handlungsanweisungen zur Erfüllung eines „master plans“ aufgibt, kurz, das Subjekt, durch das er eigentlich erst ist, wesentlich mitbestimmt. Der Dualismus Aumonts kann also bereits in diesem frühen Stadium nicht mehr absolut aufrechterhalten werden, weil Subjekt und Objekt nicht klar voneinander zu unterscheiden sind. Sinnfällig dafür ist das gesamte gedanklich Konstrukt des Films, welches sich zwischen dem Konzept eines freien Willens, der Determination und deren Vereinigung in einem Gott erstreckt.

Donnie wird von Frank geweckt und aufgefordert sich ihm zu nähern. Diese komparative Struktur steht der späteren superlativen Auswahl Gretchens gegenüber, die gebeten wird, sich neben den süßesten Jungen zu setzen, der dadurch ausgezeichnet wird, dass er, Donnie, als einziger den Blick auf Gretchen, selbst angeblickt, erst einrichten muss, während alle anderen sie bereits im Blick haben. Hierbei handelt es sich gleichsam um einen multiplen Point of View, dessen Vervielfachung jedoch dadurch zurückgenommen wird, dass der reziproke Point of View verzögert etabliert wird. Der Superlativ liegt also dem Absoluten als Lösung sehr nahe. Entsprechend bezeichnet Donnie im späteren Verlauf des Films die Lebensweise der Schlümpfe als „illogical“, weil diese „asexual“ seien. Der geschlechtliche Dualismus wird also demonstrativ bejaht, aber immer als vermittelnd konstruiert.

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Diese mediale Beziehung wird zwischen Donnie und Frank ad absurdum geführt. Das geschieht dadurch, dass Frank lange Zeit als interne Fokalisierung bzw. als imaginärer Freund präsentiert, sich schließlich jedoch herausstellt, dass er als reale Person vorhanden ist. Darüber hinaus teilt sich Donnie gleichsam in der Beziehung zu Frank. Als er das erste Mal von Frank angesprochen wird verlässt er das Haus. Dazu glaubt der Zuschauer, in einem Blickpunkt zur Haustür geführt, Donnies Perspektive einzunehmen. Der Schwenk auf den Kronleuchter entzieht die Haustür kurzzeitig dem Blick. Der Zuschauer wähnt sich immer noch in Donnies Perspektive, muss aber dann feststellen, dass sich die Haustür von außen vor ihm durch Donnie schließt. Der Blick, vormals Donnies, der keiner Figur mehr zugeordnet werden kann, verharrt also im Haus. Im weiteren Verlauf nähert sich Donnie Frank an, bis er ihn in einiger Entfernung gewahrt. Dieser kündigt ihm vom Ende der Welt. Die Anzahl der Tage, Stunden, Minuten und Sekunden, die Donnie notiert, ergeben summiert die Jahreszahl „Achtundachtzig“. Die gedoppelte Zeit, die eben nur dadurch zurückgenommen werden kann, offenbart ihren Charakter bereits in solchen formalen Zahlenspielen. Erzählung und triviale Rechnung können nicht getrennt werden und ergeben gemeinsam Sinn.

Wahrheit und Perspektive

Das zeitliche Paradoxon kulminiert mit dem der geringen Wahrscheinlichkeit von einer Flugzeugturbine im Bett erschlagen zu werden. Wenn also Aumont die Wahrscheinlichkeit einer dargestellten Welt erwähnt und Branigan auf die zeitliche Kontinuität verweist, werden in „Donnie Darko“ gerade die filmischen Mittel vorgeführt, die in ihrer Unauffälligkeit von jenen Bedingungen abhängig sind. Das Zurückspulen des Films sowie die Raffung, die vor der Schule auftritt, die Zeitlupe und ähnliche filmische Mittel machen in diesem Film auf sich aufmerksam. Die erzählte Geschichte wird dadurch in der Art der Darstellung unterstützt. Ebenso wird Aumonts „Frage nach der Wahrheit“ umgekehrt, weil sich die Annäherung und endliche Feststellung der Täterschaft Donnies durch den Mord an Frank, juristisch wahr sein mag, jedoch durch die Zeitreise wieder verschwindet. Das Gesetz hat also kein Objekt, auf welches es zugreifen könnte. Zugleich ist der Täter aber insofern bestraft, als er tot ist. Da er aber letztendlich, weil ja die Zeit zurückgedreht wurde, nichts getan hat, wurde er gewissermaßen zu Unrecht bestraft. In „Donnie Darko“ wird also der Dualismus ebenso mühsam gewälzt wie bei Aumont, mit den Mitteln, die Branigan beschrieben hat. Wenn aber die ganze Geschichte auf den unauflösbaren Dualismus abgestellt ist, kann der Sinn nur darin liegen, dass die oberflächliche Verwirrung, die der Film stiftet, durch das Verständnis der darstellenden Mittel überwunden wird.

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Der Protagonist des Films wird exemplarisch für weitere Figuren vorgeführt. Das Kreissymbol, sei dies als Uhr oder Trampolin, findet sich auch und gerade in der Kameraführung wieder. Ich habe bereits die Eingangssequenz erwähnt. Das Drehen der Kamera um 360° mit Blick auf Donnie, der sich anschließenden vor dem Kühlschrank wieder aktiv dreht, die Form der Pfeile und Wellen auf der Membran, die Donnie von Frank im Bad trennt sind weitere Realisierungen dieses Motivs. Entsprechend dreht sich die Kamera mehrmals um die Schüler und Lehrer in der ersten Schulszene bis sie den Schulflur von einem Ende zum anderen durchquert hat. Donnies Umgebung wird also immer in seine Handlungen miteinbezogen. Den Höhepunkt erreicht diese Struktur in der als Reaktion eingerichteten Fahrt durch die Schlafzimmer zahlreicher Nebenfiguren, deren Zukunft gerade vernichtet wurde.

Donnies zweite Begegnung mit Frank ist in das Elternhaus selbst verlegt, eine spätere ins Badezimmer, hinter dessen Spiegelschrank sich Donnies Pillen verbergen. Die Wirkung der Pillen korrespondierte hier früh mit einem, seinen Kopf schüttelnden Donnie im Spiegel. Die Approximation wird also von vornherein bezüglich jeglicher Hoffnung auf einen Zusammenfall der Gegensätze enttäuscht. Dies ist auch die einzige Legimitation für die Zeitreiseproblematik, die der Film aufwirft und die schließlich die Idee des Subjekts sprengen muss. Man kann vermuten, dass sich Donnie, wie auch der Zuschauer an die zurückgenommene Zeit erinnern. Der Zuschauer nämlich, weil er den Film gesehen hat und Donnie, weil der Zuschauer den Film aus der Fokalisierung Donnies gesehen hat. Diese kreisförmige Struktur findet sich also auch im Bezug auf die Rezeption durch den Zuschauer wieder. Darüber hinaus wird Donnie, der lange Zeit exponiert war, im Schluss aber tot ist, nicht vollständig ersetzt, der Gruß Gretchens in der letzen Einstellung jedoch macht zumindest die Anteilnahme deutlich, steht jedoch kurz davor Bekanntschaft zu implizieren. Zuletzt wird damit „Donnie Darko“ tatsächlich zu einem moralischen Stück. Und die Idee der Moral war, z.B. im Zitat Epsteins, auch für Aumont eine Sinnmöglichkeit.

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Tatsächlich bietet „Donnie Darko“ die beispielhafte Verbindung einer erzählten und gezeigten Diskontinuität. Die phantastischen Elemente der Narration, die, da revidiert, einbüßen, korrespondieren zwar mit denen der Kameraführung, sind aber ausreichend eigenständig, um die Narration konsequent zu halten. Damit besteht ein Dualismus, dessen auffälligster Exponent der Point of View ist. Dessen Problematik wurde nicht nur auf den Film als Kunstprodukt, sondern auch auf die Nebenfiguren und durch die Nebenfiguren ausgeweitet. Dazu dienen die strukturellen Möglichkeiten, die Branigan für den Point of View dargelegt hat. Außerdem kann durch seine Theorie zur Fokalisierung dem Subjektbegriff in seiner Möglichkeit und durch Aumont auch hinsichtlich seiner Schwierigkeit näher gekommen werden.

Literatur:

  • Jacques Aumont: The Point of View, In: montage/av 16/1 (2007), S. 13-44.
  • Edward Branigan: The Point-of-View. In: montage/av 16/1 (2007), S. 45-70.
  • Edward Branigan: Fokalisierungen. In: montage/av 16/1 (2007), S. 71-82.

Florian Zeppenfeld

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