Zu den medialen Vorboten des Kinos zählt neben der Oper vor allem das Wachsfigurenkabinett. Bereitete erstere den Weg für die synästhetische, multimediale Darstellung von Inhalten, so lieferte zweitere die „Einstellung“ einer Szenerie, die durch die stillgestellte Bewegung auf ihre Kunsthaftigkeit (die Mise-en-scène) hinweist. Die große Affinität zwischen den beiden Medien hat sich bereits recht früh darin niedergeschlagen, dass das Wachsfigurenkabinett zu einem filmischen „Topos“ wurde. 1924 hatte Paul Leni ein solches zum Handlungsort seines Films „Das Wachsfigurenkabinett“ ausgewählt; neun Jahre später entstand Michael Curtiz‘ „Das Geheimnis des Wachsfigurenkabinetts“, von dem André de Toth 1953 ein Remake mit dem Titel „Das Kabinett des Professor Bondi“ drehte, das zuletzt 2005 von Jaume Collet-Serra neu aufgelegt wurde. All diesen Filmen ist gemein, dass sie Horrorfilme sind. Und auch der 1988 entstandene Film „Waxwork“ von Anthony Hickox fällt in diese Reihe – und beteiligt sie wie alle anderen ebenfalls an der allgemeinen Reflexion über die Filmizität des Wachsfigurenkabinetts.
Hickox‘ Film geht als Parodie jedoch noch einen Schritt weiter als seine Vorgänger (und sein Nachfolger): Er koppelt eine Teenagerkomödie an das Motiv. In einem kleinen Städtchen findet sich plötzlich ein Gebäude, das vorher noch von niemandem bemerkt wurde und in dem ein Wachsfigurenkabinett seine Heimstadt hat. Eine Clique, bestehend aus mehreren Teenagerpärchen lässt sich zu nächtlicher Stunde dorthin einladen. Bald stellen die Kabinettbesucher fest, dass mit den Exponaten etwas nicht stimmt: Die horriblen Darstellungen bekannter Monster und Bösewichte vom Werwolf über den Vampir bis hin zu Marquis de Sade sehen erstaunlich real aus. Wie realistisch sie tatsächlich sind, stellt einer der Besucher nach dem anderen beim Überschreiten der Absperrung zur Szenerie fest: Plötzlich löst sich der Raum um ihn herum auf und er befindet sich in der dargestellten Szenerie, erlebt den Horror am eigenen Leib mit und endet als Wachsfigur innerhalb der Darstellung. Erst als ein junger Mann beginnt, seine Freunde zu vermissen und die Polizei alarmiert, wird klar, dass der Museumsleiter Finsteres im Schilde führt.
„Waxwork“ fällt in eine Zeit, in der Horrorfilme wie „Die rabenschwarze Nacht“, „Monster Busters“ oder „Die Nacht der Creeps“ das Thema „Horrorfilm“ reflektierend aufgriffen und ihre bereits filmsozialisierten Protagonisten mit den alten Gruselmotiven konfrontierten. So entstanden Stoffe, die gleichzeitig aktuell und bekannt waren, und die Filmgenerationen so im Modus der Postmodernisierung miteinander verbanden. „Waxwork“ stellt diesen Zug am deutlichsten heraus, denn er liefert mit den Wachsexponaten dezidierte klassische Horrorfilm-Szenerien und gibt Monstern eine Körperlichkeit, die sie vor der Entstehung des Horrorfilms nicht besaßen. Dass der offenbar mehrere hundert Jahre alte Besitzer des Wachsfigurenkabinetts die Filme nicht kennt, mit denen „seine Monster“ bekannt wurden, wird deutlich, als einer der jungen Leute sich wenig beeindruckt von den Exponaten zeigt, weil er sie aus dem Kino kennt. Im Zusammentreffen dieser beiden Figuren wird auch der angedeutete Generationenverbund thematisiert.
Wie sehr filmisch die einzelnen Sets sind, zeigt sich bei jedem Übertritt über die Absperrung: Die Szenerie, die sich dem verblüfften Eindringling dort zeigt, hat jedes Mal ein anderes Aussehen und richtet sich ganz nach dem Horrorfilm-Motiv. Am beeindruckendsten sind dabei zwei Episoden: In der einen gerät eine junge Frau in das Schloss eines Vampirs, in dessen Keller ein Mann angekettet ist, dem für das Vampir-Mahl peu-a-peu Fleisch vom Körper geschnitten wird. Der Splatter dieser Szene, insbesondere das Rot des Blutes auf dem Weiß des gekachelten Raumes, lässt unweigerlich Assoziationen zu den Technicolor-Dracula-Filmen des Hammer-Studios wach werden. Im Kontrast dazu steht eine spätere Episode, in der ein Junge auf einen nächtlichen Friedhof verschlagen wird, auf dem es vor Zombies nur so wimmelt. Hier wiederholt „Waxwork“ etliche Bildästhetiken von George A. Romeros „Die Nacht der lebenden Toten“ – von den scharfen, expressionistischen Schlagschatten über die schiefen Kameraperspektiven bis hin zum Schwarzweißbild. Dass der finstere Plan des Museumsleiters darin besteht, genügend Opfer in seine Szenerien hineinzustoßen, um auf diese Weise die Monster darin zum Leben zu erwecken, kann man als besonderen Clou in der filmischen Reflexivität von „Waxwork“ auffassen, der die „Vergegenwärtigung“ der Horrorfilm-Geschichte so ein letztes Mal deutlich thematisiert.
Man sieht „Waxwork“ sein Alter natürlich an: Von der Ausstattung bis zum Humor ist es ein typischer Film der 80er-Jahre. Beeindruckend sind die Gewalt- und Splatterszenen, die seinerzeit derartig „avantgardistisch“ waren, dass der Film hierzulande nur gekürzt erscheinen konnte. Jetzt legt das Berliner Label „epiX“ ein seiner „Twilight Classics“-Reihe „Waxwork“ ungekürzt vor – und hat eine „FSK 16“-Einstufung für den Film bekommen. Selbst daran offenbart sich der medienhistorisch-reflexive Charakter „Waxworks“ unbewusst noch einmal: Der Horror des Films wirkt heute auf die Betrachter wie die Wachsfiguren im Film damals auf die Protagonisten im Film: Als harmlose Monster-Schau.
Waxwork – Reise zurück in die Zeit
(Waxwork, USA 1988)
Regie & Buch: Anthony Hickox; Musik: Roger Bellon; Kamera: Gerry Lively; Schnitt: Christopher Cibelli
Darsteller: Zach Galligan, Jennifer Bassey, Joe Baker, Deborah Foreman, Michelle Johnson, David Warner u. a.
Länge: 93 Minuten
Verleih: epiX
Die DVD von epiX
… bietet den Film in der ungekürzten Fassung an. Das 4:3-Bild ist leider etwas kontrastarm und wirkt zeitweilig verwaschen. Extras hat man der Veröffentlichung nicht beigefügt; dafür ist der Preis erfreulich niedrig ausgefallen.
Die Ausstattung der DVD im Einzelnen:
Bild: 4:3
Ton: Deutsch (DD2.0), Englisch (DD5.1)
Untertitel: Deutsch
Extras: Trailer zum Film
FSK: ab 16 Jahren
Preis: 9,99 Euro